Frankfurter Rundschau, 7.12.2000

Rot-Grün öffnet Arbeitsmarkt für Flüchtlinge

Jobsuche nach einjähriger Wartezeit erlaubt / Milliarden-Einnahmen für Sozialversicherungsträger erwartet

Von Vera Gaserow

Asylbewerber und in Deutschland nur geduldete Flüchtlinge dürfen künftig nach einer einjährigen Wartefrist eine reguläre Arbeit aufnehmen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch eine entsprechende Verordnung, die das seit drei Jahren gültige generelle Arbeitsverbot deutlich lockert.

BERLIN, 6. Dezember. 85 000 Ausländer, denen bisher eine Arbeitserlaubnis verweigert wurde, könnten sich nun ab Januar ganz legal um eine Beschäftigung bemühen. Die Arbeitsgenehmigung wird aber auch künftig an Bedingungen geknüpft. Um "Sogeffekte" und "Zuwanderungsanreize" zu vermeiden, sollen Asylbewerber und Flüchtlinge erst nach zwölfmonatiger Wartefrist Zugang zum Arbeitssmarkt erhalten. Die Frist beginnt mit der Einreise. Eine Beschäftigung dürfen Flüchtlinge auch nur annehmen, wenn für den entsprechenden Job keine deutschen oder EU-Bewerber gefunden wurden.

Von den 120 000 erwachsenen Flüchtlingen, die seit mehr als einem Jahr in Deutschland leben, könnten laut Bundesarbeitsministerium 80 Prozent jetzt tatsächlich eine Arbeit finden - die meisten in unteren Lohngruppen, für die nur schwer Bewerber zu finden sind. Dies würde die Sozialhilfekassen der Kommunen um jährlich 900 Millionen Mark entlasten. Durch die - bisher verbotene - Arbeitsaufnahme könnten allein die Sozialversicherungsträger mit Mehreinnahmen von 1, 3 Milliarden Mark rechnen.

Mit dem Kabinettsbeschluss beendete die Bundesregierung zumindest teilweise die vor drei Jahren verhängte generelle Aussperrung der Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt. Im Mai 1997 war durch den so genannten Clever-Erlass ein generelles Arbeitsverbot für diese Gruppen ausgesprochen worden. Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsverbände aber zunehmend auch Arbeitgebervereinigungen hatten gedrängt, diesen Erlass aufzuheben. In der offiziellen Begründung für die Neuregelung heißt es jetzt, die "erzwungene Untätigkeit" sei für viele Betroffene "psychologisch schwer zu bewältigen gewesen". Das bisherige Arbeitsverbot habe zudem dazu beigetragen, "ausländerfeindliche Vorurteile" zu schüren, da der Eindruck des "Schmarotzertums" entstehen konnte.

Die jetzt beschlossene Regelung soll auch anderen Ausländergruppen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. So soll für anerkannte Bürgerkriegsflüchtlinge die zwölfmonatige Wartefrist entfallen und traumatisierte Flüchtlinge sollen eine Arbeitserlaubnis bekommen, ohne dass zuvor geprüft sein muss, ob deutsche Bewerber Vorrang haben könnten. Ausländer, die eine feste Arbeit haben, sollen künftig ohne weitere Vorrangprüfung eine Verlängerung ihrer Arbeitserlaubnis erhalten.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte die Reform, hält aber auch die einjährige Wartezeit für zu lang.