taz Bremen 6.12.2000

Deutschmacher kommen nicht voran

Das neue und hoch gelobte Einbürgerungsgesetz hat den Bremer AntragstellerInnen vor allem eins gebracht: längere Wartezeiten / Der große Ansturm ist allerdings ausgeblieben

Vor zehn Monaten: Das neue Einbürgerungsrecht war gerade fünf Wochen alt, da stand Nevin Sevik mit ihren Papieren schon beim Innenressort auf der Matte. Die gebürtige Türkin lebt seit 11 Jahren in Bremen. Anders als vielen Landsleuten treibt die Aussicht auf eine Sprachprüfung der Studentin keinen Schweiß auf die Stirn. Was sie neben Bafög zum Leben braucht, verdient sie als Zahnarzthelferin. Eigentlich ein klarer Fall: Die Bedingungen des neuen Gesetzes erfüllt Nevin Sevik spielend. Als sie der Einbürgerungsstelle einige Monate später ihren Umzug mitteilte, fragte sie beiläufig, wie es denn mit der Bearbeitung stehe. Ihr Fall sehe zwar günstig aus, bekam sie zur Antwort, aber bis zur Entscheidung könnten "drei bis vier Jahre vergehen." Seitdem hat sie nichts mehr gehört.

Kein Einzelfall: Laut der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill ist "ein gutes Jahr" Wartezeit der Durchschnitt bei eindeutiger Sachlage. Dann kommt erstmal die "Einbürgerungszusicherung", mit der dann die Ausbürgerung beim Heimatstaat beantragt werden kann. Bis der deutsche Pass dann auf dem Tisch liegt, können leicht zwei bis drei Jahre vergangen sein. Für Lill ist das "viel zu lange". Sie fordert, dass Innensenator Bernt Schulte (CDU) wenigstens befristet zusätzliches Personal einstellt. Denn eigentlich müssen Behörden die Anträge von Bürgern innerhalb von sechs Monaten bearbeiten, schreibt das Verwaltungsverfassungsgesetz vor.

Dem Innenressort müsste das eigentlich noch in Erinnerung sein: 1997 hatte ein türkischer Einwanderer gegen die Behörde geklagt, weil sein Einbürgerungsverfahren fast zehn Monate dauerte. Das Ressort, damals noch unter Führung von Ralf H. Borttscheller (CDU), wurde vom Verwaltungsgericht zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1.000 Mark verurteilt. Danach gelang es der Einbürgerungsstelle zwar, den entstandenen Antragsstau ein wenig abzubauen und Wartezeiten zu verkürzen, aber eine Dezentralisierung der Aufgaben - etwa auf die Ortsämter blieb aber aus. Als zusätzliches Problem soll jetzt der Teufel in der Technik liegen: Das Verfahren wird teilweise mit einem Computerprogramm abgewickelt, das auch nach elf Monaten noch nicht auf dem aktuellen Gesetzesstand ist. Zurzeit verhandelt die Behörde mit der Software-Firma, wer die entsprechenden Passi in die Formulare einarbeiten soll. Zu den Gründen für die Verzögerung gibt es vom Innenressort seit über einem Monat keine Auskunft.

So heißt es nun wieder "Land unter" in der Einwanderungsstelle, nachdem das neue Gesetz mehr Einwanderern den deutschen Pass schmackhaft machte. Dabei ist der erwartete Ansturm ausgeblieben: 5.000 Anträge hatte Senator Schulte Anfang des Jahres vollmundig angepeilt, nun wird es kaum die Hälfte werden - rund 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Offizielle Zahlen kann das Innenressort - auch für Teile des Jahres - nicht liefern. Besonders schlecht läuft die erleichterte Einbürgerung von Kindern unter zehn Jahren. Nur noch bis zum Jahresende können sie wie Neugeborene bei entsprechend langem legalem Aufenthalt der Eltern zwei Pässe bekommen, zwischen denen sie mit 18 Jahren wählen müssen. Die Regelung ist allerdings kaum bekannt. Seit Oktober informieren DAB, AWO und die Jugendinitiative Schildstraße allerdings mit Bundesmitteln. In Bremen konnten sich Innen- und Sozialressort nicht über eine Finanzierung einigen. Auch die Gebühr, mit 500 Mark vor allem bei mehreren Kindern schmerzhaft hoch, wird in Bremen trotz Ermessensspielraum grundsätzlich nicht erlassen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will das Geld mittlerweile ab dem zweiten Kind erlassen, außerdem die Frist um ein Jahr verlängern. Senator Schulte ist jedoch dagegen, will, dass Bremen im Ernstfall gegen eine Gesetzesänderung stimmt. Bremens Grüne wollen das nicht hinnehmen: "Wir werden uns auch in Berlin für die Verlängerung stark machen", sagt der innenpolitische Sprecher Matthias Güldner.

Nevin Sevik haben Freunde schon geraten, ins Bremer Umland umzuziehen: In Verden zum Beispiel dauert die Einbürgerung nur ein halbes bis dreiviertel Jahr. Aber inzwischen gibt es auch in Bremen Hoffnung auf Besserung: Die Einbürgerunsstelle, bislang direkt bei Senator Schulte angesiedelt, soll mit der Ausländerabteilung im Stadtamt zusammengelegt werden. Nicht auszuschließen, dass es dann zu Synergieeffekten der beiden gescholtenen Dienststellen kommt.

Jan Kahlcke

Information zur Kinder-Einbürgerung beim DAB (Norden und Westen) 61 20 71, der Kinder- und Jugendinitiative (Mitte und Süden) % 7 58 08 oder der AWO (Osten) % 337 71 80