Süddeutsche Zeitung, 6.12.2000

Reaktion auf die Vorstöße der Union

Schily: An Grundrecht auf Asyl wird sich nichts ändern

Innenminister kündigt Einwanderungsgesetz für nächstes Jahr an / NPD-Verbotsantrag verzögert sich / Von Susanne Höll

Berlin - Bundesinnenminister Otto Schily will das Grundrecht auf Asyl gegen die Vorstöße aus der Union verteidigen. An dieser Verfassungsgarantie werde sich "nichts ändern", sagte Schily (SPD). Es sei daher unangebracht, diesen Aspekt in den Mittelpunkt der Einwanderungsdebatte zu stellen. Schily bekräftigte auch die Notwendigkeit einer europäischen Regelung der Asylfrage. Wenn sich die EU-Staaten dabei auf "einen Grundkanon" einigen könnten, wäre Deutschland auch bereit, im Rat auf das Einstimmigkeitsprinzip beim Asylrecht zu verzichten. Nach Angaben Schilys will die Bundesregierung im nächsten Jahr ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Dabei sei eine strikte Trennung der Bereiche Asyl, Einwanderung und Flüchtlinge notwendig, bekräftigte er. Im Sommer soll zunächst die von Schily einberufene Einwanderungskommission unter Leitung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth ihre Ergebnisse vorlegen.

Ihren Antrag auf Verbot der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei (NPD) wird die Bundesregierung vermutlich doch erst im Jahr 2001 stellen. Schily sagte, er hoffe, dass der Antrag bis Ende Dezember beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgegeben werde, er könne dies aber nicht versprechen. Für 2001 kündigte er einen Vorschlag für eine Änderung des Versammlungsrechts an, mit dem auch NPD-Aufmärsche verhindert werden sollen. Drastische Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit will Schily auch aus Rücksicht auf Grüne und Teile der SPD vermeiden. Die Bundesregierung hatte vor knapp vier Wochen beschlossen, als Konsequenz aus der wachsenden rechtsextremen Gewalt ein Verbot der NPD zu beantragen. Damals hieß es, der Schriftsatz solle vor Jahresende eingereicht werden.

Der Bundesrat, der wenige Tage nach der Bundesregierung einen eigenen Antrag auf ein NPD-Verbot beschlossen hatte, hat bereits einen Prozessbevollmächtigten benannt. Die Länderkammer wird in Karlsruhe von dem Verwaltungsrechtsexperten Dieter Sellner aus der in Bonn ansässigen Kanzlei Redecker und Sellner vertreten. Auch der Bundesrat wird seinen Antrag nicht mehr in diesem Jahr einreichen. Am Freitag will auch der Bundestag mit der Mehrheit der rot-grünen Koalitionsparteien einen eigenen Verbotsantrag beschließen. Die Unionsfraktionen werden dies nicht mittragen, wollen aber die Verbotsanträge von Bundestag und Bundesrat in einem Antrag befürworten. Die CDU/CSU, in der es - wie auch bei SPD und Grünen - unterschiedliche Einschätzungen über Sinn und Erfolgsaussichten eines NPD-Verbots gibt, begründet ihre Haltung offiziell damit, dass die Abgeordneten, anders als die Innenminister von Bund und Ländern, keinen vollen Einblick in die Unterlagen der Verfassungsschutzämter über die NPD hatten. Einige CDU-Politiker, darunter Hessens Ministerpräsident Roland Koch, haben sich gegen ein Verbot der NPD ausgesprochen, mit der Begründung, Extreme müssten politisch bekämpft werden. Koch hatte Rot-Grün zudem vorgeworfen, die Gefahr der Gewalt von Rechts zu dramatisieren.