junge Welt, 05.12.2000

Washingtons Scherbenhaufen

Pläne der USA in Nahost gescheitert. Palästinensischer Widerstand internationalisiert. Von Sara Flounders (*)

Seit Jahrzehnten ist der Kampf für die Befreiung Palästinas ein zentraler Punkt im Kampf der arabischen Völker gegen den Würgegriff, mit dem der Imperialismus den Mittleren Osten gefangen hält. Obgleich nur ein paar Millionen, sind die Palästinenser wahrhaft heroisch in ihrer Entschlossenheit, als Nation zu überleben. Der Mut von Jugendlichen, die sich Tag für Tag den israelischen Panzern mit Steinen und Schleudern entgegenstellen, ist erneut im Begriff, das Kräftegleichgewicht in der ganzen Region zu verändern. So machtvoll die Intifada von 1987 war, die Tragweite des neuen Aufstands ist größer. Er ist über die besetzten Gebiete hinausgewachsen, breitet sich innerhalb der 1948er Grenzen Israels aus und mobilisiert die Menschen in der gesamten arabischen Welt.

Die neue Widerstandswelle brachte den ganzen von den USA eingefädelten Plan zu Fall, durch systematischen diplomatischen Druck und überwältigende Macht dem palästinensischen Volk einen Dauerzustand abhängiger Reservate oder Bantustans aufzuzwingen. Der Osloer »Friedensprozeß« sah vor, daß die Palästinensische Behörde diese arm gemachten und auseinandergerissenen Kantone verwalten würde. Eine leicht bewaffnete palästinensische Polizeitruppe sollte unter US-amerikanischer und israelischer Oberaufsicht kollaborieren und unterdrücken, was sich an Widerstand regt.

Israel verbrachte die sieben Jahre der Verhandlungen damit, auf der Westbank und in Gaza Siedlungen zu bauen und zu verstärken. Inzwischen gibt es über 170 militarisierte Siedlungen für über 200 000 Israelis. Die Anzahl der Siedler verdoppelte sich während des »Friedensprozesses«. Das israelische Regime benutzt die Siedlungen zur Rechtfertigung einer breiten Militärpräsenz und eines Systems von Superschnellstraßen zur Verbindung der sich in der ganzen Westbank ausbreitenden Siedlungen mit Israel. Gleichzeitig trennen diese Schnellstraßen die palästinensischen Segmente voneinander und von ihrem Zentrum in Jerusalem.

Der Plan war ein wohlüberlegtes Vorhaben, die Palästinenser zu trennen und zu schwächen, geographisch und - noch wichtiger - politisch. Ein Schlüsselelement der Strategie der Oslo-Abkommen bestand darin, einen Teil der Palästinenserbewegung zu korrumpieren, zu kooptieren und gegen den Rest einzusetzen. Jetzt, da ein Aufstand ausgebrochen ist, haben die verstärkten israelischen Repressions- und Terrortaktiken zu einem mit jedem Tag stärker werdenden Widerstand geführt. Der US-israelische Plan, eine Sektion der palästinensischen Polizei in eine repressive Kollaborationsarmee umzumodeln, ist zusammengebrochen.

Der ganze israelische Staat wurde errichtet auf dem falschen Versprechen eines sicheren und wohlhabenden, von Washington hoch subventionierten Lebensstils. Subventionierte Wohnungen mit großen Apartments, üppige Rasenflächen, Schwimmbecken und Sportklubs ziehen israelische Siedler in die militarisierten Siedlungen in der Westbank. Aber jetzt, wo die israelische Gewalt eskaliert, antworten die palästinensischen Guerillakämpfer, indem sie die Siedlungen unter Feuer nehmen. Siedler reisen nur noch in bewaffneten Konvois; viele Siedlungen sind praktisch leer.

Auch Washingtons Pläne, Israel zum Hochtechnologie- Motor der Region zu machen, sind zusammengebrochen. Vielversprechende Wirtschaftsvorhaben wurden auf Eis gelegt, Handelsbüros geschlossen. Infolge der Krise entgleiste die EU-Mittelmeer-Partnerschaft, ein von der Europäischen Union initiierter Prozeß der Einbeziehung der Länder »des südlichen Mittelmeers« in eine Freihandelszone. Nun drohen Syrien und Libanon wegen der Teilnahme Israels mit Boykott. Das scharfe militärische Vorgehen gegen die Palästinenser ist zerstörerisch für die gebrechliche palästinensische Wirtschaft. Aber auch die gemeinsamen Wirtschaftsvorhaben mit Israel sind betroffen. Langfristige Investitionsprojekte der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, welche die Abhängigkeit der palästinensischen Wirtschaft von Israel dramatisch erhöhten, sind als erste davon in Mitleidenschaft gezogen. Anpassung ist nun keine Option mehr für die dünne Schicht der Bevölkerung, die von der Kollaboration profitierte.

(*) Sara Flounders ist Mitarbeiterin des International Action Center, New York, Übersetzung: Klaus von Raussendorff, Aus: Workers World newspaper vom 23. 11. 2000/gekürzt