Stuttgarter Zeitung, 4.12.2000

EU über militärische Zusammenarbeit einig

BRÜSSEL. Die Außenminister der EU legen an den Planungen für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) letzte Hand an. Heute werden sie die endgültige Beschlussfassung beim EU-Gipfeltreffen in Nizza vorbereiten.

Von Thomas Gack

Die 15 Staats- und Regierungschefs werden den Plänen aller Voraussicht nach ohne große Debatten ihre politische Zustimmung geben. Allerdings stehen die entsprechenden Entscheidungen der Nato über die festen Strukturen, in denen sich die militärische Zusammenarbeit mit der EU abspielen soll, noch aus. Offenbar droht die Türkei die vorgesehene Nutzung der Einrichtungen der atlantischen Allianz durch die EU zu blockieren, weil sie sich nicht ausreichend am Entscheidungsprozess der Europäischen Union beteiligt sieht.

Die EU schlägt eine weitgehende Information und Konsultation mit den Nato-Staaten, die nicht der EU angehören, vor. So soll zum Beispiel mindestens einmal pro Halbjahr eine gemeinsame Sitzung von Nato und EU auf hoher politischer Ebene stattfinden. Vertraglich fest geregelt soll auch werden, wann und unter welchen Voraussetzungen die EU die Nato-Stäbe, die Fähigkeiten zur strategischen Aufklärung der atlantischen Allianz und die der Nato unterstellten Truppen nutzen kann. Die Europäer sind aber nicht bereit, die Türkei an ihrem internen Entscheidungsprozess direkt zu beteiligen und ihr die Mitspracherechte einzuräumen, die Ankara im Rahmen der - inzwischen praktisch aufgelösten - Westeuropäischen Union formal hatte.

In Nizza sollen die sicherheitspolitischen Gremien der EU, die spiegelbildlich den Nato-Strukturen nachgebildet sind und in den vergangenen Monaten in Brüssel provisorisch schon die Arbeit aufgenommen haben, offiziell von den Regierungschefs bestätigt und formal eingesetzt werden: Ein ,,Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee'' (PSK), in dem die Botschafter der Mitgliedstaaten als ständige Vertreter sitzen, ein beratender Militärausschuss, der von den Vertretern der nationalen Generalstabschefs gebildet wird, und ein EU-Militärstab, der vom 1. Januar an vom deutschen General Schuwirth geleitet werden soll. In Brüssel wird derzeit ein Gebäude für den EU-Militärstab eingerichtet, in dem rund 120 Offiziere aus den 15 Mitgliedstaaten die Planungsarbeit für Kriseneinsätze übernehmen werden. Gleichzeitig wird in Potsdam von der Bundeswehr das so genannte ,,Einsatzführungskommando'' aufgebaut: ein Stab, der im Krisenfall der EU zur Verfügung gestellt werden soll.

In Brüssel erwartet man, dass in Nizza zudem der Truppenstärke-Katalog für die geplante EU-Kriseninterventionstruppe in den Grundzügen gebilligt wird. Auch die EU-Pläne für das nicht militärische Krisenmanagement werden ihre Zustimmung finden. ,,Spätestens 2003 wird die EU Krisen in eigener Regie bewältigen können'', meint ein hoher deutscher Diplomat. Operationen in kleinerem Umfang, von humanitären Hilfsaktionen bis zum militärischem Schutz, wird die EU-Truppe nach Aussage von Verteidigungsminister Scharping jedoch schon früher übernehmen können.