Süddeutsche Zeitung, 4.12.2000

Gemäß einer Vereinbarung von Scharm el-Scheich

Israel lässt Untersuchung der Unruhen zu

Bericht der Kommission für März 2001 erwartet / Clinton: Naher Osten hat Priorität / Von Thorsten Schmitz

Jerusalem - Die israelische Regierung hat am Sonntag überraschend angekündigt, sie werde nun doch mit der Untersuchungskommission zu den Hintergründen der jüngsten Unruhen kooperieren. Bislang hatte Premierminister Ehud Barak dies von einem völligen Stopp der Gewalt abhängig gemacht. Die Untersuchungskommission soll gemäß einer im Oktober in Scharm el-Scheich getroffenen Vereinbarung die Ursachen des Ausbruchs der Unruhen vor neun Wochen herausfinden, bei denen mehr als 260 Palästinenser und mehr als 30 Israelis getötet wurden. Die Mitglieder der Kommission, die vom ehemaligen US-Senator und Nordirland-Experten George Mitchell angeführt wird, werden sich nach Angaben eines Regierungssprechers "uneingeschränkt auf Unterstützung Israels verlassen können. Die Kommission soll sich aus internationalen Militärexperten zusammensetzen. Baraks Bürochef Gilad Scher sagte am Sonntag, israelische Rechtsanwälte und Minister würden mit der Kommission zusammenarbeiten. Sie wird am 16. Dezember in der Region erwartet, der Abschlussbericht soll im März 2001 vorliegen.

Nach israelischen Medienangaben hatte Barak bereits am Freitag nach einem 45-minütigen Telefongespräch mit US-Präsident Bill Clinton der Kooperation zugestimmt. Clinton habe Barak davon überzeugt, dass diese für ein Ende der Gewalt nötig sei. Dem israelischen Justizminister Jossi Beilin hatte Clinton gesagt, der Nahost-Konflikt habe in den ihm verbleibenden 50 Tagen "höchste außenpolitische Priorität". Nach Informationen der Tageszeitung Haaretz schätzt Barak dagegen die Chancen für einen raschen Friedensschluss gering. Er sagte, die Bedeutung der USA werde überschätzt. Direkte Kontakte mit den Palästinensern ohne die Vermittlung Dritter seien manchmal von Vorteil. Mehrere Medien berichteten über Geheimverhandlungen mit den Palästinensern. Gilad Scher, der mit Außenminister Schlomo Ben-Ami daran teilnehmen soll, erklärte: "Es gibt Kontakte zur Beendigung der Gewalt." Der arabische Knesset-Abgeordnete Achmed Tibi erklärte, er werde bei den vorgezogenen Neuwahlen als Premier kandidieren. Der frühere Premier Benjamin Netanjahu hat sich bislang noch nicht geäußert, ob er im Frühjahr gegen Barak antreten wird.