Stuttgarter Zeitung, 02.12.2000

Asylvorschläge abgelehnt

BRÜSSEL. Innenminister Schily hat die Vorschläge der EU-Kommission für eine europaweite Asyl- und Zuwanderungspolitik abgelehnt. Berlin wird in diesem Punkt auf dem EU-Gipfel in Nizza auf Einstimmigkeit bestehen.

Von Mariele Schulze Berndt

Grundsätzlich sei Deutschland jedoch bereit, Mehrheitsentscheidungen auch in der Asyl- und Migrationspolitik zuzulassen, sagte Otto Schily gestern im Rat der Innenminister. Hauptkritikpunkt Schilys an den Vorstellungen der Kommission zum Asyl ist, dass diese den "großzügigen Status, den Asylbewerber in Deutschland haben, noch erweitert''.

Im Vorschlag ist vorgesehen, dass Asylbewerber nur dann in einen sicheren Drittstaat zurückgeschickt werden können, wenn sie dort bereits "einen verfestigten Aufenthaltsstatus gewonnen haben''. In Deutschland gilt dagegen eine Drittstaatenregelung, die besagt, dass Asylbewerber sich nicht auf das in Artikel 16 des Grundgesetzes garantierte Grundrecht auf Asyl berufen können, wenn sie aus einem so genannten sicheren Drittstaat einreisen. Als sichere Drittstaaten gelten alle Nachbarstaaten Deutschlands, weil sie den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention gewähren. Am Entwurf für die Kommissionsrichtlinie zur Zuwanderung bemängelte Schily, dass dieser die Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten beispielsweise bei Familienzusammenführung zu sehr einschränke. Zurzeit gilt in Deutschland die Grenze von sechzehn Jahren beim Familiennachzug. Gerade weil Deutschland "aus wirtschaftlichen Gründen Zuwanderer benötigt'', sei ein darüber hinausgehender Anspruch auf Familienzusammenführung nicht vertretbar. Schon jetzt kämen auf diese Weise jährlich 70000 bis 100000 Menschen nach Deutschland. Wenn der Kommissionsvorschlag verwirklicht würde, käme es zu einer dreimal so hohen Zahl.

Die Innenminister beschlossen, dass für die Bürger von Bulgarien, Hongkong und Macao die Einreise in die EU ohne Visum möglich ist. Rumänien dagegen erfüllt, so Schily, noch nicht die Voraussetzungen.