Die Presse (A), 2.12.2000

Irak: Mehr Geld oder kein Öl mehr

Auslieferstopp. Irak will sich aus den Sanktionsfesseln nach dem Golfkrieg befreien und fordert einen Aufpreis zur Sanierung der Ölwirtschaft.

Von unserem Mitarbeiter KARIM EL-GAWHARY

KAIRO. Nach zehn Jahren Sanktionen macht der Irak mit der schärfsten verbliebenen Waffe ernst: dem Öl. Bagdad will fortan keinen Tropfen schwarzes Gold mehr ausliefern. Eine ernstzunehmende Drohung, denn mit einer Förderkapazität von 2,4 Millionen Faß täglich ist der Irak alles andere als kleiner Fisch am Ölmarkt.

Auslöser des Auslieferstopps ist ein handfester Streit zwischen dem irakischen Ölministerium und dem UN-Sanktionskomitee. Dieses Komitee wurde 1996 geschaffen, als dem Irak nach dem Golfkrieg erstmals erlaubt wurde, im Rahmen des sogenannten Öl-für-Nahrungsmittel-Programms sein Öl zu exportieren. Das dafür eingenommene Geld darf freilich aber nur für Dinge ausgegeben werden, die genehmigt wurden. Oft wurde die Einfuhr von wichtigen Ersatzteilen für irakische Infrastruktur nicht genehmigt. Kritiker behaupten gar, daß die USA über das UN-Sanktionskomittee die Infrastruktur des Irak langfristig zerstören wollten.

Bagdad versucht sich nun mit einem Taschenspielertrick von diesen Sanktionsfesseln zu befreien. Es bietet offiziell Öl zu einem verbilligten Preis an. Dafür verlangt es aber von den Ölfirmen, daß sie für jedes Faß eineinhalb Euro in einen Fonds einzahlen, der nicht vom Sanktionskomitee verwaltet wird. Offiziell soll damit die darniederliegende irakische Ölindustrie wieder aufgebaut werden. Das Sanktionskomitee lehnte den Deal erwartungsgemäß ab.

Ein solcher Schritt würde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den Ölpreis auf den internationalen Märkten nach oben treiben. Die ölproduzierenden Länder können mit ihren Förderkapazitäten nicht so ohne weiteres durch eine erhöhte Produktion eine irakische Öllücke schließen. Das Ergebnis wäre weniger Angebot und im Winter eine erhöhte Nachfrage. Daher meldeten sich die USA zu Wort. US-Energieminister Bill Richardson hat angekündigt, eine mögliche irakische Öllieferungslücke durch die strategischen Ölreserven der USA zu füllen. Man könne schnell reagieren, sagte er. Die USA hätten gute und effektive Pläne für den Notfall in der Schublade. Der Nervenkrieg in Sachen irakisches Öl geht also weiter.