taz Bremen 2.12.2000

"Desolate Zustände im Ausländeramt"

Rechnungshof kritisiert Schlendrian im Innenressort: Vorschläge zur Organisationsstraffung werden seit Jahren nicht umgesetzt / Personalmangel im Ausländeramt kostet Unsummen

Der Bremer Landesrechnungshof hat Innensenator Bernt Schultes Amtsführung (CDU) die Note mangelhaft verpasst. Der Grund: Im nachgeordneten Ausländeramt ist die Zahl aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf ein Minimum gesunken. Ausreisepflichtige aber, die im Land bleiben, ohne abgeschoben zu werden, kosten - oft als SozialhilfeempfängerInnen - Geld. Der Rechnungshof spricht von "desolaten Zuständen". Ein Umstand, der zudem auch wiederholte CDU-Forderungen nach einer schnellstmöglichen Abwicklung von Asylverfahren konterkarriert. Denn während das personell eigens verstärkte Verwaltungsgericht die Asylverfahren vergleichsweise zügig bearbeitet, unterbleiben im Fall einer Asylablehnung die nächsten Schritte seitens des zuständigen Ausländeramts.

Welche Kosten dadurch entstehen, dass für eigentlich ausreisepflichtige AusländerInnen oft Sozialhilfe gezahlt werden muss, weiß in Bremen derzeit niemand. Auch aus dem Schreiben des Landesrechnungshofes, das im Zuge einer "Organisationsprüfung" der Ausländerbehörde an die Innenbehörde geschickt wurde, geht das nicht hervor. In dem Papier der Rechnungsprüfer, das jetzt in der Innendeputation zur Sprache kam, findet sich allerdings der markante Satz: "Möglicherweise hätten Sie im Wege von Prioritätensetzung längst die Arbeitsfähigkeit der Abschiebungsgruppe wieder hergestellt, wenn Sie die Sozialhilfeausgaben zu tragen hätten." Die Innenbehörde selbst hat auf diese wie auch auf zahlreiche andere Kritikpunkte schriftlich bislang noch nicht reagiert. Die formal vorgesehene Frist läuft noch bis Mitte Dezember.

Die Ermittlungen der Rechnungsprüfer, die immerhin neun Seiten umfassen, lesen sich unterdessen wie eine Chronik des Versagens. Sogar dass die Finanzwächter nicht mit Zahlen über mögliche Einsparvolumina aufwarten können, gehört in diese Rubrik. Wie nämlich sollten sie sowas ermitteln, gibt es doch in der gesamten Ausländerbehörde nicht eine Person, die darüber den Überblick hätte. Dabei ist das Problem nicht erst seit gestern bekannt. Schon 1998 hat die Unternehmensberatung Mummert und Partner festgestellt, dass es keinenerlei verlässlichen Zahlen über das Ausmaß der Rückstände gibt.

Verlässliche Zahlen gibt es aber wohl über den Personalmangel in der zuständigen Abschiebegruppe. Das wenig beliebte Arbeitsfeld leidet unter Abwanderung. Derzeit arbeiten dort nur drei erfahrene Mitarbeiter. Bereits vor Jahren stellte das Mummert-Gutachten einen Personalbedarf von insgesamt acht MitarbeiterInnen fest.

Doch allein in der dünnen Personaldecke liegt das Problem der Abschiebegruppe nicht begründet. Die Rechnungsprüfer weisen vielmehr darauf hin, dass im kleinsten Bundesland offenbar kaum die Minimalstandards für die effektive Bewältigung der Amtsaufgaben im Bereich Abschiebung gelten. Dazu gehört auch: Vieles bleibt offenkundig unbearbeitet liegen. Unter anderem auch ein Hinweis der Rechnungsprüfer darauf, den "Einkauf von Dienstleistungen" - etwa für die Beschaffung abhanden gekommener Pässe - in Niedersachsen zu sondieren. Vor vier Wochen habe die Innenbehörde dies prüfen wollen. "Eine Rückmeldung haben wir bisher nicht erhalten", schreibt die Prüfbehörde.

Doch die Rechnungsprüfer üben nicht nur Kritik. Sie machen auch Vorschläge, wie die Arbeitsorganisation im Ausländeramt zu verbessern und zu bezahlen wäre. So schlagen sie vor, die Sozialbehörde solle sich an den Kosten für die Personalaufstockung - wie bei den "falschen Libanesen" - beteiligen. Auch gebe es zahlreiche Möglichkeiten effektiver Kooperation mit anderen Bundesländern und Einrichtungen.

ede