Badische Zeitung, 1.12.2000

Israelis kritisieren Hardliner

"Siedler, kehrt aus Gaza zurück"

Von unserer Korrespondentin Inge Günther

JERUSALEM. Die Gewalt im Nahen Osten spitzt sich zu. Im Gazastreifen erschossen Soldaten am Mittwoch ohne Vorwarnung vier Palästinenser. Die Militäraktion richtete sich gegen einen Kommandeur der Fatah-Miliz, Dschamal Abdek Rasek, den Israel für Schießereien der vergangenen Wochen verantwortlich macht. Am Mittwoch teilte israelisches Militär den Gazastreifen in zwei Hälften. Kettenfahrzeuge und Schützenpanzer hinderten Palästinenser daran, vom Norden in den Süden zu gelangen.

In der Nähe jüdischer Siedlungen im Gazastreifen wurden am Mittwochmorgen ein israelisches Geländefahrzeug und ein Militärstützpunkt beschossen. Ein Soldat wurde verletzt. Unter Israelis wird inzwischen der Ruf laut, jüdische Siedlungen in palästinensischen Gebieten, vor allem in Gaza, aufzugeben.

So appellierte der namhafte Schriftsteller A. B. Jehoschua im Massenblatt Yediot Achronoth an die Siedlerschaft: "Zeigt Mut und Weisheit und kehrt freiwillig in den Staat Israel zurück." Viele Israelis lasse inzwischen selbst der Schmerz und die Trauer der Siedler unberührt, schrieb Jehoschua, der als Linker gilt, in Anspielung auf den kürzlichen Anschlag auf einen Schulbus der Siedler in Gaza. "Selbst wenn euch eine Tragödie trifft, ärgern sich viele im Herzen über euch", insbesondere darüber, "wie ihr euch und uns Gefahren aussetzt, weil ihr euch mitten in der palästinensischen Bevölkerung einpflanzt." Nur wenn die Siedler aus den besetzten Gebieten zurückkehrten, könne es gelingen, dass der Staat Israel in Frieden mit seinen Nachbarn lebt.

Jehoschuas Position teilt auch Israels größte Friedensorganisation Schalom Achschaf (Frieden jetzt), eine der Arbeiterpartei nahe stehende Bewegung. "Heute ist klarer denn je", sagt ihr Protagonist Arie Arnon, "dass die Siedlungen und ihre Umgehungsstraßen die größten Hindernisse sind, um ein Abkommen mit den Palästinensern und Sicherheit für die Israelis zu erreichen."

Auch politische Kommentatoren zweifeln zunehmend am Sinn, Siedlungen zu erhalten, die nur mit größtem militärischen Aufwand geschützt werden können. Seit den Osloer Verträgen sei klar, schrieb der Journalist Sever Plotzker in

Yediot Achronoth, dass die Siedlungen in Gaza "nur Verhandlungsmasse sind". Insgeheim wisse Likud-Chef Ariel Scharon das so gut wie Premier Ehud Barak. Was seinerzeit für Südlibanon gegolten habe, treffe auch auf den Gazastreifen zu: "Er gehört nicht uns, er ist fremdes Land.