Frankfurter Rundschau, 1.12.2000

Schönbohm lenkt bei Altfällen ein

Brandenburgs Minister scheut Koalitionsstreit um Flüchtlinge

Von Karl-Heinz Baum

BERLIN, 30. November. Der bisher schwerste Krach in der seit einem Jahr regierenden großen Koalition von SPD und CDU in Brandenburg ist beigelegt. Im Streit um eine humane Praxis in der brandenburgischen Ausländerpolitik hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eingelenkt. Die Regierungsfraktionen stimmten am Mittwochabend einer neuen Weisung Schönbohms zu, die eine liberalere Anwendung der Altfallregelung für Flüchtlinge vorsieht.

Künftig sollen ähnlich wie in Sachsen und Niedersachsen abgelehnte Asylbewerber, die am Stichtag 19. November 1999 unverschuldet arbeitslos waren, aber Bemühungen um eine Beschäftigung nachweisen können, eine auf sechs Monate befristete Aufenthaltsbefugnis zur Arbeitsuche erhalten. Die Voraussetzung, der Lebensunterhalt müsse gesichert sein, werde als "erfüllt angesehen", wenn bis zum Stichtag "Bemühungen um eine Beschäftigung nachgewiesen sind" oder am Stichtag "ein Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Zusage für ein Beschäftigungsverhältnis vorlag". Bisher durfte als "Altfall" nur im Lande bleiben, wer einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung nachweisen konnte. Die Zahl der von der Regelung Betroffenen wird mit rund 400 angegeben.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber hatten die Praxis des Landes für Altfälle scharf kritisiert und als kalt und herzlos bezeichnet.

Schönbohm lenkte ein, als die SPD ankündigte, sollte sich in dieser Frage keine Lösung in der Koalition abzeichnen, werde sie einen Beschluss in ihrem Sinne im Landtag herbeiführen. Eine Mehrheit wäre nur mit der oppositionellen PDS möglich gewesen. Einen solchen Schritt in Richtung spätere Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS wollte die CDU nicht riskieren. Erstmals hatte der bislang unumstrittene CDU-Chef Widerstand in den eigenen Reihen gespürt.

SPD-Fraktionssprecher Ingo Decker nennt Schönbohms Weisung eine humane und weitherzige Lösung. Alle Betroffenen hätten jetzt eine faire Chance.

Damit ist auch die wesentliche Forderung Bischof Hubers erfüllt, der stets betont hatte, es dürfe nicht allein entscheidend sein, ob eine Wohnung oder ein Arbeitsplatz vorhanden sei: Das eine bedinge immer das andere.