Neue Zürcher Zeitung (CH), 28.11.2000

Forderung nach Beobachtern in Palästina

Die Uno-Hochkommissarin will eine internationale Präsenz

jpk. Genf, 27. November

Die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, hat sich am Montag inGenf für die Entsendung internationaler Beobachter zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung ausgesprochen. Angesichts der eskalierenden Gewalt und der zahlreichen Opfer unter der Zivilbevölkerung müssten Möglichkeiten für die Stationierung ausländischer Beobachter in den von Israel besetzten Gebieten geprüft werden, erklärte Robinson bei der Präsentierung eines Berichtes über ihren Besuch in Israel und Palästina in den vergangenen Wochen. Wie Robinson hinzufügte, hatte sie bei der Erörterung eines entsprechenden Vorschlages mit den israelischen Behörden das Gefühl, dass diese die Stationierung ausländischer Beobachter nicht total ablehnten. Die Vertreter der israelischen Behörden hätten allerdings auch klar zu verstehen gegeben, dass sie der Erneuerung des Dialoges mit der palästinensischen Seite auf der Grundlage der Abkommen von Oslo den Vorzug vor einer Internationalisierung des Konfliktes gäben.

In ihrem Bericht sprach sich Robinson auch für einen sofortigen Baustopp für jüdische Siedlungen und die Beseitigung von bestehenden Siedlungen in den von Palästinensern dicht besiedelten Gebieten aus. Die Notwendigkeit für die Einschränkung der Siedlungen sei ihr bei einer Fahrtdurch den Südteil des Gazastreifens klar geworden, als sie gesehen habe, wie eine der Siedlungen inmitten des Konfliktgebietes weiter ausgebaut werde, erklärte Robinson. Angesichts der beschränkten Verfügbarkeit von Land und Wasserführe der Ausbau bestehender Siedlungen zu weiteren Spannungen.

Die allgemeine Lage in den israelisch besetzten Gebieten bezeichnet Robinson als düster. Palästinenser hätten sich während ihres Besuches immer wieder über die alltäglichen Erniedrigungen und die Schlechterstellung durch die israelische Besatzungsmacht beschwert. Diese täglichen persönlichen Verletzungen seien von ihren palästinensischen Gesprächspartnern als Ursprung für den Ausbruch der Gewalt in den vergangenen Wochen bezeichnet worden. Ärzte hätten sich über die schlechte Ausbildung und die täglichen Schikanen an den Kontrollpunkten beschwert. Wie Robinson hinzufügte, hat die palästinensische Bevölkerung zurzeit zudem noch unter grossen ökonomischen Problemen zu leiden. Die Absperrung ganzer Gebiete stelle die materielle Existenz unzähliger Familien in Frage.

Robinson machte in ihrem Bericht allerdings auch klar, dass nicht nur Palästinenser unter der gegenwärtigen Eskalation leiden. Bei ihrer Reise sei sie auch mit israelischen Familien zusammengekommen, welche die verheerenden Auswirkungen der neuen Gewaltwelle zu spüren bekämen,betonte die Uno-Hochkommissarin. Sie appellierte deshalb erneut an beide Parteien, sich für die volle Einhaltung des humanitären Rechtes und die Respektierung der vierten Genfer Konvention einzusetzen und Vergehen gegen die internationalen Vereinbarungen zu ahnden. Die Sicherheitskräfte forderte sie auf, den Einsatz von Gewaltmitteln den Verhältnissen anzupassen.