taz, 27.11.2000

Flug aus dem Embargo

Iraks Vizepremier fliegt von Bagdad nach Damaskus - und verstößt damit gegen das Flugverbot. Syrien wird für den international isolierten Irak zum Tor zur Welt

BERLIN taz Der Mann mit der dicken Brille und dem stets freundlichen Lächeln sprach deutliche Worte. Irak werde fortan das vor zehn Jahren gegen den Staat verhängte Luftembargo ignorieren, erklärte Vizepremierminister Tarik Asis am Samstag in Damaskus. Zuvor hatte Saddam Husseins Mann für die positive Außendarstellung demonstriert, dass er es ernst meint: Er war selbst im Flugzeug von Bagdad in die syrische Hauptstadt gereist. Es war der erste Flug eines irakischen Regierungsvertreters seit dem zweiten Golfkrieg.

Asis machte klar, wohin die Reise nun gehen soll. Irak plane die Wiederaufnahme des "normalen Luftverkehrs", erklärte er nach einem Gespräch mit Syriens Außenminister Faruk asch-Scharaa. Bereits im August hatte die irakische Führung den Saddam International Airport in Bagdad wieder eröffnet. Es folgten international umstrittene Flüge von arabischen, aber auch russischen und französischen Delegationen in die irakische Hauptstadt. Anfang November hatte dann Iraqi Airways den innerirakischen Linienverkehr zumindest symbolisch wieder aufgenommen. Notdürftig umgerüstete Militärtransporter fliegen seither Zivilisten in das nordirakische Mossul und nach Basra im Süden des Landes.

Offiziell machte Tarik Asis in Damaskus nur einen Zwischenstopp auf einer Reise nach China. Hinter den Kulissen ging es jedoch um mehr: Die Wiederbelebung der Beziehungen der seit 20 Jahren verfeindeten Staaten. Syrien und Irak werden von rivalisierenden Flügeln der arabisch-nationalistischen Baath-Partei regiert. Im ersten Golfkrieg zwischen Irak und Iran (1980 bis 1988) stand Syrien nicht etwa auf der Seite des arabischen "Bruderstaates", sondern unterstützte die Iraner. Die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen, die irakische Botschaft in Damaskus sogar abgerissen.

Doch seit drei Jahren nähern sich die beiden Staaten wieder an. Zuerst reisten Handelsdelegationen über die zwei Jahrzehnte lang gesperrte Grenze. Dann folgten Politiker. In diesem Jahr schließlich tauschten beide Seiten wieder Diplomaten aus. Syrien wird für Iraks international isoliertes Regime zunehmend zum Tor zur Außenwelt.

In den vergangenen Monaten reparierten Techniker die verrostete Ölpipeline zwischen beiden Staaten. Laut syrischen Quellen hat der geflickte Röhrenstrang derzeit eine Kapazität von 150.000 Barrel pro Tag (1 Barrel = 159 Liter).

UN-Diplomaten betrachten diese Aktivitäten mit Sorge. Schließlich finden sie außerhalb des von der Weltorganisation eingerichteten Programms "Öl für Lebensmittel" statt. Demnach darf Irak über eine Pipeline in die Türkei und über den Golfhafen Mina al-Bakr unbegrenzt Öl exportieren - vorausgesetzt, die Ausfuhr findet unter strenger Kontrolle der UN statt und der Erlös dient ausschließlich humanitären Zwecken.

Nun will auch der Libanon in das Geschäft mit dem irakischen Öl einsteigen. Libanon hatte 1994 die Kontakte nach Bagdad abgebrochen, weil zuvor der Geheimdienst Saddam Husseins einen irakischen Dissidenten in Beirut ermordet hatte. Doch die Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Staaten blühen seit Monaten wieder. Vor allem geschäftstüchtige Libanesen reisen regelmäßig nach Bagdad um Profit aus dem UN-Embargo zu schlagen. Beide Seiten zeigen dabei keine Skrupel. So tauchten auf dem libanesischen Schwarzmarkt unlängst Medikamente auf, die eindeutig aus dem UN-Hilfsprogramm für die irakische Bevölkerung stammten. Die dagegen leidet weiter - unter anderem an mangelnder medizinischer Versorgung.

THOMAS DREGER