Die Presse (A), 24.11.2000

"Im Gottesstaat wartet der Tod auf mich"

Faraj Sarkohi, seit 1998 im Exil in Deutschland, über die Gefahren des Journalisten-Daseins im Iran.

WIEN (c. u.). In seine Heimat wird der Schriftsteller und Journalist Faraj Sarkohi nicht so bald zurückkehren: "Im Iran wartet der Tod auf mich." Zweimal hat der 53jährige Intellektuelle bereits Bekanntschaft mit persischen Gefängnissen gemacht, während der Herrschaft des Schah ebenso wie unter dem Mullah-Regime. Er verdankte es internationalen Protesten, daß er 1997 nicht zum Tode verurteilt und ein Jahr später freigelassen wurde. Seit Mai 1998 lebt Sarkohi in Frankfurt. Auf Einladung des "International Press Institute" (IPI) legte er kürzlich bei einem Vortrag in Wien dar, wie Teheran versucht, die Öffentlichkeit zu knebeln: Die Essenz totalitärer Repression wurde Sarkohi in folgendem Dialog, den er einmal mit einem Geheimdienstoffizier führte, deutlich: "Warum wollt ihr mich töten, ich schreibe doch nur Kurzgeschichten?" - "Du bist eine potentielle Gefahr, denn in der Krise bist du eine Stimme. Und wir wollen so eine Stimme nicht." In Zeiten des Internet sei totale Kontrolle aber nicht mehr möglich.
Das iranische Informationsministerium setze daher darauf, die Mechanismen der Selbstzensur zu fördern, erklärte Sarkohi. Journalisten und Intellektuellen solle Angst eingeflößt werden: Angst vor Gefängnis, vor Folter, Angst, den Job zu verlieren, Angst, daß Frau und Kinder auf der Straße verprügelt werden. Es sei kein Zufall, daß in regelmäßigen Abständen, Schriftsteller ermordet würden - die anderen sollen so abgeschreckt werden. Das Projekt der Reformer um Präsident Mohammed Khatami, Islam und Modernität zu versöhnen, dabei aber den Rahmen des Gottesstaates unverändert zu lassen, sei zum Scheitern verurteilt, glaubt Sarkohi. Er ist überzeugt, daß sich früher oder später die Demokratie den Weg bahnt und Religion wieder zur Privatsache wird. Und was erwartet sich Sarkohi vom Westen? "Daß er seine wirtschaftliche und politische Macht dafür einsetzt, um Menschenrechte einzufordern, zumindest in Diskussion zu bringen." Es habe sich zuletzt gezeigt, daß das Regime auf derlei Druck, wenn er beharrlich genug sei, anspreche. Am wichtigsten sei es jedoch, nicht auf all die politischen Häftlinge im Iran zu vergessen. Denn, so Sarkohi, genau darauf hofften repressive Regime - auf das Vergessen.