junge Welt, 24.11.2000

Zur Jagd getragen

Sebnitz: Staatsanwaltschaft lange tatenlos. Neonazis sollen Sechsjährigen getötet haben

Neonazis sollen im sächsischen Sebnitz ein sechsjähriges Kind gequält und getötet haben. Wie der Dresdner Oberstaatsanwalt Claus Bogner am Donnerstag sagte, wurde der Fall, der sich im Mai 1998 ereignet hatte, jetzt aufgrund neuer Zeugenaussagen neu aufgerollt. Drei Tatverdächtige im Alter von 20 bis 25 Jahre seien in den vergangenen zwei Tagen festgenommen worden.

Die drei Festgenommenen stammen laut Bogner aus Sebnitz. Bei den Tatverdächtigen handele es sich um eine Gruppe von rund 50 Neonazis. Sie hätten ihr Opfer in einem Freibad mit Elektroschockern gequält, dann zum Rand des Schwimmbeckens gezerrt und das Kind anschließend im Wasser ertränkt. Der sechsjährige Joseph war Sohn eines Irakers und einer Deutschen, die für die SPD im Sebnitzer Stadtrat sitzt. Zum Zeitpunkt der Tat sollen 300 Badegäste in dem Freibad gewesen sein. Einige der mutmaßlichen Täter hätten Tätowierungen gehabt und Springerstiefel getragen. Die Mutter des kleinen Joseph, Renate Kantelberg-Abdulla, sagte der Agentur AP, die Staatsanwaltschaft in Pirna habe das Verfahren wegen des Todes ihres Sohnes kurze Zeit später eingestellt mit der Begründung, der Fall habe nicht gelöst werden können.

Seltsam sei dabei gewesen, daß die Kriminalpolizei in Pirna ihre Aussagen gar nicht habe anhören wollen, erklärte sie. Sie selbst habe aber zahlreiche Hämatome am Körper ihres getöteten Kindes entdeckt. »Ich habe Zeugen gesucht und auch an das Bundesjustizministerium geschrieben«, sagte die Mutter. Mittlerweile lägen ihr 15 eidesstaatliche Erklärungen von Personen vor, die gesehen hätten, daß es sich bei denjenigen, die ihren Sohn töteten, um Rechtsextremisten gehandelt habe.

(AP/jW)