taz Hamburg, 24.11.2000

Jeder Joghurt im Kühlschrank hält länger

Ausländerbehörde setzt binationale Elternpaare kleiner Kinder unter Stress

Von Kaija Kutter

Das junge Familienglück von Jennifer Hinck und Djeli Kouyate ist getrübt. Vier Wochen ist ihr Baby Sarah alt, und geht es nach der Ausländerbehörde, so muss Vater Djeli jetzt in sein Herkunftsland Guinea ausreisen. Er kann, so die Behörde, mit Visum wieder einreisen. Nur kann sich dies über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen.

Schon während der Schwangerschaft wäre es ihr deswegen sehr schlecht gegangen, berichtet die Soziologin Hinck. Immer wieder mussten die beiden zur Behörde, um mit kurzfristigen Duldungen abgespeist zu werden. Hinck: "Das galt immer nur für ein, zwei Wochen, ich hab gedacht, jeder Joghurt im Kühlschrank hält länger."

Die junge Mutter will bald wieder arbeiten, Vater Djeli das Kind betreuen. Doch auf die Unterstützung ihres Partners soll Jennifer Hinck nun verzichten.

Kein Einzelfall. Flüchtlinge reisen in der Regel ohne Visum ein. Wollen sie als Eltern einen festen Aufenthaltsstatus, sollen sie dies nachholen. Weil sie gegen Einreisebestimmungen verstoßen haben, wird ihre Ausreise oft auch noch mit einem befristeten Wiedereinreiseverbot verknüpft.

Es gebe in Hamburg viele junge Familien, die dadurch unter Stress gesetzt werden, sagte der Rechtsantwalt Uli Wittmann gestern vor Journalisten. Dabei sehe das 1998 reformierte Kindschaftsrecht ausdrücklich eine "Sorgepflicht" beider Eltern fürs Kind vor, das Vorrang vor dem Ausländerrecht habe.

"Die Ausländerbehörde hat nicht das Recht, Familien aufzulösen", sagt auch der Referent der Ausländerbeauftragten, Rainer Albrecht. Für ein kleines Kind, das hat kürzlich auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, sei schon eine Trennung von wenigen Monaten "unzumutbar". Deshalb müsse die Geburt eines Kindes ausreichen, um eine Aufenthalterlaubnis zu erteilen. Eine Forderung, die sich auch in einem Sieben-Punkte-Katalog wiederfindet, den der Hamburger Arbeitskreis Kindschaftsrecht kürzlich an Senat und Parteien verschickte.

Um den Stress in der Schwangerschaft zu nehmen, soll auch schon für "werdende Eltern" unabhängig von Passbestimmungen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, heißt es in dem Papier. Das ungeborene Kind, das mit Geburt die deutsche Staatangehörigkeit erwirbt, müsse so vor Abschiebung seiner Eltern geschützt werden. Auch dürfe die Wiedereinreise nach einer Abschiebung nicht an die Bezahlung von Abschiebekos-ten gekoppelt werden.

Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) müsse die Ausländerbehörde "fachlich anweisen", so zu verfahren, erklärt Dorothea Zirkel vom Arbeitskreis. Auch solle es Eltern durch eine "vorab erteilte Aufenthaltsbefugnis" möglich gemacht werden, ein Visumsverfahren durch die Ausreise in ein Nachbarland wie Holland nachzuholen.

Er kenne einen Fall, berichtet Rainer Albrecht, da habe die Visumsbesorgung in Dänemark nur einen Tag gedauert. Viele Väter würden aber auch ein bis drei Jahre von ihren Kindern ferngehalten.

Das droht auch der kleinen Naguouma Kone. Ihr Vater wird nur noch wenige Wochen "geduldet". "Vor lauter Anspannung kann ich nicht mehr stillen", sagt Mutter Kati Sasse. Der Stress übertrage sich so aufs Kind. "Ein behütetes Aufwachsen ist so nicht möglich."