Frankfurter Rundschau, 23.11.2000

Verbände fordern Härteklausel

Kritik am Ausländerrecht / Bleiberecht für Bosnier verlangt

FRANKFURT A.M., 22. November (epd/dpa). Ein Bündnis aus Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen hat gefordert, eine Härtefallregelung im Ausländergesetz zu verankern. Im Umgang mit Asylbewerbern gebe es kaum gesetzliche Spielräume, Menschlichkeit walten zu lassen, kritisierten die Verbände am Mittwoch in Frankfurt am Main. Ausländerbeauftragte und Ausländerbehörden wüssten, wie viele menschliche Tragödien "das unvertretbar starre Ausländerrecht im Alltag auslöst", erklärte "Pro Asyl" anlässlich der am Donnerstag in Bonn stattfindenden Innenministerkonferenz.

"Da das Gesetz aber keine Lösungsmöglichkeiten vorsieht, müssen sie trotz aller Gewissensbisse die entsprechenden Abschiebungen vollziehen", hieß es weiter. Die Verbände befürchten, dass von den Innenministern Signale an die Bundesregierung ausgehen, auf eine Änderung des Ausländergesetzes zu verzichten. Zu dem Bündnis gehören unter anderen die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritasverband, das Diakonische Werk der evangelischen Kirche sowie auch die Neue Richtervereinigung.

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" erklärte dazu, das Fehlen einer "praktikablen gesetzlichen Härtefallregelung" mache viele Kirchenasyle erst nötig. Kirchengemeinden sähen sich daher immer wieder verpflichtet, Zuflucht zu gewähren. Kirchenasyl könne jedoch kein Ersatz für notwendige staatliche Reformen von Ausländerrecht und Asylverfahrensgesetz sein.

Simon Wiesenthal und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderten von den Innenministern ein dauerhaftes Bleiberecht für die etwa 35 000 bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland. "Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, wie ich es vor vielen Jahren erleiden musste", sagte Wiesenthal als Vorsitzender des Dokumentationszentrums jüdischer Verfolgter des Naziregimes laut einer GfbV-Mitteilung vom Mittwoch.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) setzt sich für ein Bleiberecht für traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien ein. Schily habe mehrfach seine Länderkollegen gebeten, sich des Schicksals dieser Menschen anzunehmen. "Eine längerfristige Perspektive ist für diese Menschen die einzige Heilungschance überhaupt", sagte Schily-Sprecher Rainer Lingenthal in Berlin.