DER STANDARD, 22.November 2000

Entscheidung in der Ägäis: Griechenland blockiert die Türkei

STANDARD-Korrespondent Jürgen Gottschlich aus Istanbul

Am Schluss stand ein Eklat: Beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel, bei dem das Papier der EU-Kommission zur Beitrittspartnerschaft mit der Türkei verabschiedet werden sollte, legte Griechenlands Außenminister Georgios Papandreou am Montagabend sein Veto ein: Es war ihm nicht gelungen, seine Kollegen davon zu überzeugen, das Dokument um eine Passage zum türkisch-griechischen Ägäis-Konflikt zu ergänzen.

Dem Treffen war eine Intervention des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit vorangegangen, der damit gedroht hatte, den türkischen Beitrittsantrag zurückzuziehen, falls die EU dem Drängen Athens nachgibt und die Klärung der Zypern- und Ägäisstreitigkeiten zur Bedingung für Beitrittsgespräche macht.

Schon bei der Vorstellung des Papiers zur Beitrittspartnerschaft vor zwei Wochen hatte man in Ankara schwer geschluckt, als klar wurde, dass entgegen den Absprachen die Forderung enthalten war, die Türkei solle sich konstruktiv für eine Lösung der Zypernfrage einsetzen.

Der neuerliche Disput mit Griechenland verdeckt dabei die innenpolitischen Debatten, die durch das Beitrittspartnerschaftsdokument ausgelöst wurden. Zum ersten Mal wurde weiten Kreisen in der Türkei bewusst, dass es nun ernst wird mit den inneren Reformen. Mit Begeisterung biss man sich deshalb an der Zypernfrage fest - und an der Forderung des EU-Parlaments nach Eingeständnis des Genozids an den Armeniern. Wenn die Griechen nun noch mit der Ägäis kommen, hieß es, müssen wir darüber nachdenken, ob wir noch bei der EU mitmachen wollen.

Dass sich Ankara auf Dauer nicht hinter angeblichen Tabuthemen verschanzen kann, machte Daniel Cohn-Bendit deutlich, der sich zurzeit mit einer Delegation des EU-Parlaments in der Türkei aufhält: "Mit diesem Denken kommt man nicht nach Europa." Griechenlands Außenminister Papandreou scheint die Probe aufs Exempel machen zu wollen: Am 4. Dezember, wenn erneut über die Beitrittspartnerschaft abgestimmt werden soll, will er auf seinen Forderungen bestehen.