DER STANDARD, 22.November 2000

Türkei drängt auf starke Teilnahme an EU-Armee

Ankara will Emanzipation der Europäer von der Nato nicht zulassen

STANDARD-Redakteur Thomas Mayer aus Brüssel

Die Türkei will in der künftigen schnellen EU-Eingreiftruppe, die bis 2003 für Kriseninterventionseinsätze bereitgemacht werden soll, eine wichtige Rolle spielen. Dies machte Verteidigungsminister Sabahattin Cakmakoglu Dienstag in Brüssel bei einer weiteren "Geber"-Konferenz der EU-Staaten mit den 13 Beitrittskandidaten aus Ost- und Ostmitteleuropa, Norwegen und Island klar.

Erst am Tag zuvor hatten die EU-Länder ihre Beiträge für die gemeinsame Truppe genannt. Aufgrund einer Vereinbarung in der Nato sollen alle EU-Bewerberländer und weitere europäische Staaten am Aufbau einer europäischen Säule in der Allianz beteiligt werden. Die Europäer sollen Nato-Material verwenden können.

Ankara sei bereit, mehrere Bataillone aus Infanterie und Marine sowie zwei Schwadronen F-16-Kampfflugzeuge und acht Kriegsschiffe einzubringen, erklärte Cakmakoglu. Exakte Zahlen würden erst zu einem späteren Zeitpunkt genannt. Die Türkei dürfte damit mehr als 3000 Mann und drei Dutzend Flugzeuge bereitstellen, was an das Engagement sogar größerer EU-Mitgliedsländer wie Spanien oder Italien durchaus heranreicht.

Beobachter sehen in dieser Haltung des Nato-Landes Türkei (der erst vor einem Jahr ein EU-Kandidatenstatus ohne echte Aussicht auf einen Beitritt verliehen wurde) einen weiteren klaren Beweis dafür, dass sie alle Druckmittel - bis hin zum Veto im Nato-Rat - einsetzen wird, um eine Annäherung an die Union zu erreichen. Die Lage wurde zuletzt zusätzlich verschärft, weil Griechenland die Verabschiedung eines "Heranführungsprogramms" der EU für die Türkei verweigerte (siehe weiteren Bericht).

Problem EU/Nato

Aus Kreisen der französischen EU-Ratspräsidentschaft hieß es nach einem Arbeitsessen von Verteidigungsminister Alain Richard mit Nato-Generalsekretär Robertson, der Abschluss eines Abkommens EU/Nato hänge praktisch nur noch an der Zustimmung der Türkei. Aber die türkische Regierung mache ernste Probleme. Dennoch hoffe man, dass die notwendigen Vereinbarungen bis Mitte 2001 "stehen" würden.

Die EU-Staaten, die auch Mitglieder der Nato sind, seien sich hingegen weitgehend einig. Und auch die USA, die die Versuche der Franzosen, mehr Einfluss zu gewinnen, mit Argusaugen beobachten, seien sich mit den EU-Partnern im Grunde einig über die künftigen Beziehungen von Nato- und EU-Strukturen und deren Einsatz bei künftigen eigenständigen Einsätzen der Europäer, hieß es.