Frankfurter Rundschau, 22.11.2000

Neue EU-Truppe soll auch Nato stärken

Schröder und Generalsekretär Robertson sehen größere Handlungsfähigkeit Europas

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Nato-Generalsekretär George Robertson sehen in eigenen militärischen Kapazitäten der Europäischen Union eine Stärkung des atlantischen Bündnisses.

BERLIN, 21. November (ap/dpa). Vor der parlamentarischen Versammlung der Nato in Berlin betonten Schröder und Robertson am Dienstag, der Aufbau EU-eigener Kapazitäten liege "in der Logik der europäischen Einigung". Schröder forderte zudem eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland bei der Friedenssicherung.

Für die Sicherheit Europas bleibe die starke transatlantische Partnerschaft auch in Zukunft unverzichtbar, betonte der Kanzler vor rund 700 Vertretern der 19 Bündnisstaaten und Internationaler Organisationen. Dazu gehöre eine substanzielle militärische Präsenz der USA in Europa. Die Entwicklung einer Politik, mit der Europa auch militärisch handlungsfähig gemacht werde, sei von dem Willen geleitet, im Nato-Rahmen militärisch mehr Verantwortung zu übernehmen.

"Nur mit einer sicherheitspolitisch starken, einer militärisch handlungsfähigen EU an der Seite der Nato und mit einer effizienten europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität innerhalb der Nato werden wir künftige Herausforderungen als transatlantische Partner erfolgreich bewältigen können", sagte der Kanzler. Dies werde auch die Nato stärken. Der zusätzliche Beitrag der EU im Rahmen der atlantischen Sicherheitspartnerschaft werde die USA entlasten. Er freue sich, dass die US-Regierung dies "nach ursprünglicher Zurückhaltung nun ebenso einschätzt".

Schröder betonte in seiner Rede, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Nato und Russland sei von großer Bedeutung für eine dauerhafte europäische Friedensordnung. Der Bundesregierung liege sehr an einem Ausbau dieser Zusammenarbeit, und Russland sollte diese Möglichkeiten nutzen.

Auch Robertson sah in der Schaffung EU-eigener Truppen einen logischen Schritt. Es mache Sinn für ein Europa, das ebenso reich sei wie die USA und gemeinsame Ziele hinsichtlich Frieden und Sicherheit habe, in der Lage zu sein, seine Worte effektiver mit Taten unterstreichen zu können. Europa müsse dann die USA nicht um Dinge bitten, die ihnen widerstrebten; USA und Nato würden nicht in Operationen hineingezogen, weil es keine Alternative gebe.

Die Nato unterstütze diese Entwicklung in Europa aus drei Gründen, sagte Robertson. Einerseits könnten europäische Anstrengungen die Nato nur stärken. Zudem werde, wenn die EU militärisch handlungsfähig sei, die Nato nicht mehr die einzige Option in Krisenzeiten sein. Und schließlich würden auch EU-geführte Militäraktionen auf Nato-Einrichtungen und -Fähigkeiten wie Hauptquartiere und Satelliten-Aufklärung angewiesen sein.