Frankfurter Rundschau, 21.11.2000

Viel Schaum, wenig Substanz

Die Debatte um das Asylrecht

Von Vera Gaserow (Berlin)

Die Zahl der Asyl-Bewerber ist auf einen Tiefststand gesunken, aber das Asylrecht sorgt unvermindert für Streit. Wer streitet da mit wem worüber? Und um was geht es tatsächlich? Pegelstand einer Auseinandersetzung mit hohem politischen Symbolwert und geringen praktischen Folgen.

Die Forderung ist längst Parteitagsritual. Das Asylgrundrecht gehört abgeschafft, intoniert die CSU und fordert seine Umwandlung in eine Institutsgarantie. Die Schwesterpartei CDU ist in dieser Frage uneins und hält sich lieber bedeckt. Sie fordert in ihren Thesen zur Zuwanderungspolitik nur, die institutionelle Garantie dürfe "kein politisches Tabu bleiben".

Was bedeutet institutionelle Garantie? Statt des Artikel 16 a, "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" würde eine vage Absichtserklärung im Grundgesetz stehen. Die könnte folgendermaßen lauten: "Deutschland gewährleistet das Asylrecht. Alles weitere regelt ein Bundesgesetz." Mit einfacher Mehrheit könnte der Bundestag dann qua Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen Deutschland wie viele Asylbewerber aufnimmt.

Eine solche Umwandlung des Asylrechts wäre jedoch nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag möglich. Und die, das weiß auch die Union, gibt es dafür nicht. SPD, Grüne, FDP und PDS haben sich deutlich zum bestehenden Asylgrundrecht bekannt. Die Forderung nach einer Institutsgarantie ist daher mehr Stimmungsmache als praktische Politik.

Doch einmal angenommen das Asylgrundrecht würde fallen und die Institutsgarantie wäre Gesetz: Für die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Asyl-Anerkennung, das räumen auch strikte Verteidiger des Artikels 16a ein, würde das wenig ändern. Denn auch ohne Asylgrundrecht wäre Deutschland an völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden. Und die ähneln weitgehend dem Grundrechtsschutz, zum Teil sind sie sogar liberaler.

Die Umwandlung in eine Institutsgarantie würde allerdings die juristischen Klagemöglichkeiten von Flüchtlingen einschränken. Solange die Asylgewährung als individuelles Grundrecht besteht, können sich abgelehnte Asylbewerber auf Artikel 19, Abs. 4 des Grundgesetzes berufen. Der garantiert, dass jede staatliche Einschränkung von Grundrechten auf dem Rechtsweg überprüft werden kann. Immerhin rund 70 bis 80 Prozent aller abgelehnten Asylbewerber fechten die Entscheidung an. Rund zehn Prozent haben damit Erfolg und werden von den Gerichten als politisch verfolgt anerkannt.

Die derzeitigen Angriffe auf das Asylrecht zielen denn auch gar nicht so sehr auf das Recht selbst, sondern auf diese Rechtswegegarantie, die - angeblich - die Asylverfahren über Jahre in die Länge zieht. Doch auch die Rechtswegegarantie ist ein Grundrecht und ließe sich nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit einschränken. Sie ist allerdings nicht so symbolbeladen wie das Asylrecht, deshalb könnte ein Antrag auf Abschaffung Erfolg haben.

Ähnlich wie bei der Umwandlung in eine Institutsgarantie setzten allerdings auch hier internationale Flüchtlingsstandards der Veränderung grenzen. Immerhin garantieren auch andere europäische Staaten ihren Asylbewerbern rechtliche Beschwerde-Instanzen gegen ablehnende Entscheidungen. Und auch der jüngste Entwurf der EU für gemeinsame Mindeststandards räumt Flüchtlingen das Recht auf eine juristische Überprüfung abschlägiger Asylentscheidungen ein. Was einige derzeit in Deutschland abschaffen wollen, würde also im Zuge der europäischen Harmonisierung wieder eingeführt werden.

Zumindest den Asylexperten in den Parteien ist daher wohl bewusst, dass sich mit dem lauten Ruf nach Abschaffung des Asylrechts viel Schaum schlagen, aber wenig verändern lässt. Sie fordern deshalb eher eine Beschleunigung der Asylverfahren. Doch auch hier sind die Handlungsmöglichkeiten nahezu ausgereizt. Denn allen Verlautbarungen zum Trotz sind Asylverfahren mittlerweile keine "unendliche Geschichte" mehr. Das zuständige Bundesamt arbeitet sehr zügig. Das Gros der Asylanträge ist bereits nach sechs Monaten entschieden. Auch die Möglichkeit, die Verfahrensdauer auf dem Gerichtsweg in die Länge zu ziehen, ist drastisch eingeschränkt worden. Länger als ein Jahr dauern nur noch die wenigsten Verfahren.