web de 19.11.2000 10:42

CSU fordert Strukturreform vor Osterweiterung

Parteitag verabschiedet Europapapier - Gegen feste Beitrittstermine - Mehr Gewicht für Deutschland verlangt

München (AP) Die CSU hat auf ihrem Münchner Parteitag am Samstag ein Leitpapier zur Europapolitik beschlossen. Darin begrüßt die CSU die Osterweiterung der EU als «politisch, wirtschaftlich und kulturell notwendig». Die EU müsse sich aber mit inneren Reformen und einer klaren Aufgabenabgrenzung darauf vorbereiten.

Noch vor der Osterweiterung müsse ein Verfassungsvertrag die wesentlichen Aufgaben von EU und Mitgliedstaaten abgrenzen sowie Grundwerte, Grundrechte, Organe und Entscheidungsverfahren festlegen. Die EU sollte sich um die Wirtschaftspolitik und den Euro, die Außen- und Verteidigungspolitik, Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie grenzüberschreitende Kriminalität und Umweltschutz kümmern. Alles andere sei nach dem Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedsländern zu überlassen, fordert die CSU.

Die laufende Regierungskonferenz müsse «einen Einstieg in eine klare Kompetenzabgrenzung bringen und verbindlich Zielrichtung und Zeitplan der notwendigen Reformen festlegen», heißt es in den CSU-Eckpunkten. Spätestens mit den ersten Beitritten müsse die neue Kompetenzabgrenzung in Kraft treten.

Jeder Kandidat habe es in der Hand, mit Erfüllung der Kriterien «den Zeitpunkt des Beitritts selbst zu bestimmen. Politische Rabatte darf (...) es nicht geben.» Eine voreilige Festlegung von Beitrittsterminen lehne die CSU ab.

Nach einem Beitritt seien flexible Übergangsregelungen vor allem bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendig. Die Umwelt- und Sozialstandards der EU müssten auch in den neuen Mitgliedsländern gelten. Um den Wert des Euros zu stabilisieren, könnten die Beitrittsländer der Währungssunion erst beitreten, wenn sie sich in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angenähert hätten.

Mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten kämen weitere Transferleistungen auf die jetzigen EU-Mitglieder zu. Die Osterweiterung sei bisher unterfinanziert. Die Agenda 2000 müsse nachgebessert werden.

Die Ausdehnung der EU müsse sich an gemeinsamen Wertvorstellungen und geschichtlichen Erfahrungen ausrichten. Eine Mitgliedschaft der Türkei sei deshalb «auf absehbare Zeit nicht vorstellbar».

Kein «europäischer Superstaat»

Die Struktur der europäischen Organe entspreche zu wenig den Grundsätzen der Demokratie und der Subsidiarität. Das demokratische Prinzip gebiete es, dass die Sitze Deutschlands im EU-Parlament seinem Bevölkerungsanteil entspreche. Auch im Ministerrat müsse dieser Grundsatz bei der Stimmengewichtung berücksichtigt werden. Das EU-Parlament sollte den Kommissionspräsidenten wählen. Die CSU befürwortet den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in der EU. Ausgenommen seien Vertragsänderungen, Beitritte und zusätzliche Transferleistungen. Einzelnen Ländern müsse es möglich sein, in der Außen- und Verteidigungspolitik voranzugehen.

Notwendig sei eine gerechtere Lastenverteilung: Deutschland trage über die Hälfte der Nettozahlungen zum EU-Haushalt bei. Europäische Steuern lehnt die CSU ab.

Die Formel von der «immer engeren Union der Völker Europas» bedrohe die Vielfalt und müsse aus dem EU-Vertrag gestrichen werden. «Den europäischen Superstaat» lehnt die CSU entschieden ab.