Frankfurter Rundschau, 17.11.2000

SVP will die Schweiz gegen Asylbewerber abschotten

Eine Volksinitiative der Konservativen soll die geringen Flüchtlingszahlen weiter reduzieren

Von Felix Ruhl (Basel)

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) des Christoph Blocher macht wieder einmal mit populistischen Vorschlägen zur Asylpolitik von sich reden. Die SVP hat eine Volksinitiative zur Verringerung der Asylbewerberzahlen eingereicht. Ziel ist es, Flüchtlinge nur noch über den Luftweg in die Schweiz kommen zu lassen.

Asylbewerber, die in einem der Schengenländer abgelehnt wurden, dürfen in keinem anderen Mitgliedsstaat des Schengener Abkommens mehr um Asyl nachsuchen. Die Schweiz zählt nicht dazu und ist deshalb für viele Flüchtlinge die letzte Hoffnung. Mit einer Anerkennungsquote von zehn Prozent ist das Alpenland zudem großzügiger als mancher seiner Nachbarstaaten. Das gilt auch für den Umgang mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Der SVP geht das zu weit. Kernpunkt ihres Antrags zur "Verhinderung von Asylrechtsmissbrauch" ist die bereits in Deutschland geltende Drittstaatenregelung. Demnach sollen Asylbewerber, die über ein "sicheres Drittland" einreisen, keinen Asylantrag mehr stellen dürfen. Als "sicheres Drittland" gelten dabei alle Nachbarstaaten der Schweiz. In ihrem Furor geht die SVP noch weiter: Fluggesellschaften, die Asylbewerber ohne Visum befördern, will sie mit Sanktionen belegen.

Auch die Sozialleistungen für Asylsuchende sollen deutlich eingeschränkt werden. Diese würden dann während der Prüfung ihres Antrages nur noch Sachleistungen erhalten und ihren Arzt nicht mehr frei wählen dürfen. Arbeit möchte die SVP ihnen nur noch innerhalb staatlicher Beschäftigungsprogramme erlauben.

Das Berner Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) ist der Ansicht, dass die SVP-Initiative am Status quo gar nichts ändern würde. Denn das Hauptproblem ist laut BFF-Sprecherin Brigitte Hauser die Rückweisung in einen Drittstaat. Diese sei nur möglich, wenn dem Asylbewerber nachzuweisen ist, dass er bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat. Verweigert er die Auskunft darüber, was zu 90 Prozent der Fall ist, bleibt er in der Schweiz. Die Forderung nach Einschränkung der Sozialleistungen sei übrigens bereits erfüllt. Ein Flüchtling erhält in der Schweiz einen Tagessatz von 16 Franken (etwa 21 Mark), vorzugsweise in Sachleistungen. Das sind 20 Prozent weniger als der Sozialhilfesatz.

Nachdem das Schengener Abkommen Europa zu einer Asylfestung gemacht hat, sind auch die Bewerberzahlen in der Schweiz zurückgegangen. In diesem Jahr rechnet das Flüchtlingsamt nur noch mit 18 000 Gesuchen.

Pikant an der SVP-Initiative ist, dass sie durch die Hintertür versucht, die Ergebnisse des Dubliner Abkommens (Erststaatenregelung) auf die Schweiz anzuwenden. Gegen einen EU-Beitritt, der auch die Teilnahme am Dubliner Abkommen bedeuten würde, wendet sich die Volkspartei jedoch vehement.

Wie so häufig konstruiert die SVP erst einen Notstand, den sie dann mit großem Medienaufwand beseitigen will. Tatsache ist jedoch, dass Asylbewerber in der Schweiz keine nennenswerten Probleme verursachen. Von den 53 000 Kosovo-Flüchtlingen, die in der Schweiz aufgenommen wurden, sind 40 000 schon wieder freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt.