web.de, 16.11.2000 16:00

Deutscher Arzt bei Kämpfen im Nahen Osten getötet

- Dritte Zusammenfassung

Israel beschießt Fatah-Büros - Elfjähriger Junge erliegt Verletzungen - Israel stellt Zahlungen an Autonomiebehörde ein
Jerusalem (AP)

Die seit Wochen anhaltenden Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern haben erstmals ein deutsches Todesopfer gefordert. Der 68-jährige Arzt Harald Fischer wurde am Mittwochabend bei einem israelischen Raketenangriff in Beit Dschalla vor seinem Haus getötet. Israel kündigte am Donnerstag eine Untersuchung des Vorfalls an. Im Gazastreifen erlag unterdessen ein elfjähriger Junge seinen Verletzungen vom Vortag. US-Vermittler Dennis Ross traf zu getrennten Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zusammen.

Kampfhubschrauber und Artilleriestellungen feuerten im Morgengrauen Raketen auf Büros der Fatah-Bewegung von Jassir Arafat ab. Getroffen wurden Ziele in mehreren Orten des Westjordanlands, darunter Jericho, Hebron und Tulkarem. In Beit Dschallah bei Jerusalem wurde der deutsche Arzt Harald Fischer am Mittwochabend tödlich getroffen. Fischer stammte aus Gummersbach und lebte seit 1981 mit seiner palästinensischen Frau im Westjordanland. Er hinterlässt drei Kinder.

Seine Frau Norma berichtete, Fischer habe sein Haus verlassen, um verletzten Nachbarn zu helfen. Nach Angaben palästinensischer Ärzte war Fischers Oberkörper von großkalibrigen Kugeln durchsiebt. An der Beerdigung des Arztes nahmen am Donnerstag 2.000 Menschen teil. Bundesaußenminister Joschka Fischer äußerte sich entsetzt über den Vorfall und forderte Israel auf, den Tod des Deutschen zu untersuchen. Der israelische Außenminister Schlomo Ben Ami versprach in Marseille die Klärung des Vorfalls und eine Entschuldigung der Regierung. In dem Ort Salfit wurde einem 30 Jahre alten Palästinenser in seinem Schlafzimmer ein Bein von einer Rakete abgerissen.

«Die israelische Armee schießt bewusst auf Zivilisten, weil sie denkt, auf diese Weise den Aufstand stoppen zu können», sagte Fatah-Sprecherin Anan el Atiri. Die Raketenangriffe wurden während einer Dringlichkeitssitzung des israelischen Sicherheitskabinetts am Mittwochabend gebilligt. Unterdessen beschossen Unbekannte in einem Einkaufsviertel im arabischen Teil Jerusalems eine Polizeiwache. Die Polizisten erwiderten das Feuer. Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt. In dem siebenwöchigen Aufstand wurden bisher 221 Menschen getötet.

Barak wies Kritik zurück, dass die Armee nicht entschlossen genug gegen die Palästinenser vorgehe. Bei einem noch massiveren Einsatz wäre Israel in einer viel schwierigeren Lage, sagte Barak im israelischen Rundfunk.

Unterdessen stoppte Israel die Überweisung von Steuermitteln in Millionenhöhe an die palästinensische Autonomiebehörde. In der Vergangenheit hatte Israel umgerechnet monatlich rund 137 Millionen Mark überwiesen, diese Summe aber in den vergangenen Wochen auf etwa 17 Millionen Mark reduziert, wie ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) mitteilte. Barak sagte, damit sollten die Palästinenser zur Einhaltung der Waffenruhe gezwungen werden. Arafat nannte den Schritt dagegen einen Teil des israelischen Kriegs.

Unterdessen traf Arafat in Gaza mit Ross zu einem zweistündigen Gespräch zusammen. Anschließend sagte er, US-Präsident Bill Clinton wolle wolle vor Ende seiner Amtszeit im Januar Fortschritte erreichen. Dagegen sagte Barak nach seinem Treffen mit Ross, eine Wiederaufnahme der Gespräche sei nur dann möglich, wenn die Unruhen drastisch eingeschränkt würden.