Frankfurter Rundschau, 17.11.2000

Rechte für die Kurden findet Bahceli unzumutbar

Koalition in der Türkei streitet über EU-Forderungen zum Sprachverbot

Von Gerd Höhler (Athen)

Die Forderung der Europäischen Union, die Türkei solle das kurdische Sprachverbot in Schulen und Massenmedien aufheben, sorgt für Streit zwischen den Koalitionspartnern in Ankara.

Ministerpräsident Bülent Ecevit sieht ein, dass die Sprachverbote nicht länger haltbar sind. Er wolle der Entscheidung der Regierung nicht vorgreifen, sagte Ecevit jetzt in einem Zeitungsinterview, aber das Thema komme "früher oder später auf die Tagesordnung". Ähnlich äußerte sich Ecevits Koalitionspartner Mesut Yilmaz. Das EU-Dokument zur Beitritts-Partnerschaft verlange von der Türkei "nichts, was wir nicht umsetzen können", meinte der Chef der national-liberalen Mutterlandspartei (Anap). In dem Papier wird angemahnt, alle türkischen Staatsbürger müssten das Recht haben, ihre Muttersprache in den Massenmedien zu gebrauchen. Yilmaz, als Vizepremier für die Beziehungen seines Landes zu Europa zuständig, hat bereits früh erkannt, dass die Kurdenproblematik eng mit den türkischen EU-Beitrittsambitionen zusammenhängt.

Ecevit und Yilmaz wissen außerdem, wie obsolet das kurdische Sprachverbot in den elektronischen Medien ist. Die Menschen im Südosten können längst kurdischsprachige TV-Programme aus dem Ausland empfangen, etwa den PKK-nahen Exilsender MED-TV. Der Staat dürfe das Feld nicht "separatistischen Organisationen" überlassen sondern solle dieser "Gehirnwäsche" ein eigenes kurdischsprachiges Programm entgegenstellen, argumentiert Yilmaz nun.

Doch Devlet Bahceli, Chef der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), hält von einer Aufhebung des Kurdisch-Verbots gar nichts. Diese Forderung der EU sei "unzumutbar". Wer den Kurden "kulturelle Rechte" gewähre, der fache damit nur "die Flammen ethnischer Konflikte" an. Auch bei den Menschenrechten sieht die MHP keinen Handlungsbedarf. Der stellvertretende MHP-Fraktionsvorsitzende Ismail Köse kritisierte in einem Zeitungsinterview die Arbeit des Menschenrechts-Ausschusses des türkischen Parlaments und der inzwischen abgelösten Ausschuss-Vorsitzenden Sema Piskinsüt. Sie hatte bei unangemeldeten Besuchen auf zahlreichen türkischen Polizeiwachen Folterinstrumente gefunden.