yahoo.com, 16. November 2000, 07:20 Uhr

Israel will "härter durchgreifen"

Israel will offenbar die "Politik der Zurückhaltung" bei den Palästinenser-Unruhen beenden. Grund dafür seien die zahlreichen Angriffe von Palästinensern auf jüdische Zivilisten, sagte Vize-Premier Binjamin Ben-Eliezer. In der Nacht zum Donnerstag griffen nach Augenzeugenberichten Kampfhubschrauber das Hauptquartier der Fatah-Partei von Palästinenser-Präsident Arafat in Hebron an. Israelische Armeesprecher bezeichneten die Angriffe als "präventiv."

In einer Dringlichkeitssitzung hatte zuvor das Sicherheitskabinett von Ministerpräsident Ehud Barak über Maßnahmen gegen die Auseinandersetzungen beraten. Dazu verlautete, das Kabinett habe darüber entschieden, wie "militärisch auf die Entwicklungen der kommenden Tage" reagiert werden kann.

Bei den seit Ende September anhaltenden Unruhen sind mindestens 217 Menschen ums Leben gekommen, zu etwa 90 Prozent Palästinenser.

Innenpolitischer Konflikt schwelt

Unterdessen schwelt der innenpolitische Konflikt in Israel weiter. Oppositionsführer Ariel Scharon kündigte an, die Regierung von Premier Ehud Barak stürzen zu wollen. Ziel seien Neuwahlen, um "die Sicherheit der israelischen Bürger gewährleisten zu können". Die "Gefahr, dass Barak doch noch ein Friedensabkommen mit den Palästinensern aushandelt", sei groß.

Der Likud steht für eine kompromisslose Haltung zu den Palästinensern. Scharon selbst hat sich immer wieder gegen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern ausgesprochen.

Palästinenser feiern Staatsausrufung

Die Palästinenser begingen am Mittwoch den Jahrestag der Staatsausrufung, die aber ein symbolischer Akt blieb. Wegen des Aufstandes ruhen die Verhandlungen mit Israel darüber, wie ein solcher Staat aussehen soll. Die Palästinenser verlangen das gesamte Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem und das Territorium der israelischen Siedlungen, und den ganzen Gaza-Streifen, die Siedlungen eingeschlossen.

Schwere Unruhen überschatteten allerdings den Feiertag. Im Gazastreifen und im Westjordanland wurden acht Palästinenser getötet. Mindestens 36 Menschen erlitten Verletzungen. Die Fatah-Partei kündigte einen langfristigen Kampf zur Vertreibung der Israelis aus den besetzten Gebieten an.

EU soll größere Rolle spielen

Unterdessen erklärten Israel und die Palästinenser auf der EU-Mittelmeerkonferenz in Marseille, dass sie den Friedensprozess fortsetzen wollen. Beide Seiten setzten sich dafür ein, dass die Europäische Union künftig eine große Rolle bei den Friedensverhandlungen spielen soll. In diplomatischen Kreisen hieß es dazu, die EU solle ihre Rolle besser definieren.

Die Konferenz, bei der die Außenminister aus den 15 EU-Staaten sowie von zehn Ländern des südlichen und östlichen Mittelmeers an einem Tisch sitzen, beschloss wegen der kritischen Lage im Nahen Osten eine Programmänderung. Am Donnerstag soll noch einmal die EU-Führung gesondert mit den arabischen Staaten über den Konflikt sprechen.