Neue Zürcher Zeitung (CH), 14. November 2000

Asylsuche in der Schweiz - für die SVP ein Missbrauch

Zweite Initiative eingereicht

Bern, 13. Nov. (sda) Die Schweizerische Volkspartei hat am Montag ihre Volksinitiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» mit 108 716 Unterschriften eingereicht. Gemäss der Initiative kann in der Schweiz kein Asylgesuch mehr stellen, wer über einen sicheren Drittstaat einreist und dort ein Asylgesuch hätte stellen können. Wer dennoch kommt, erhält nur das Minimum an Fürsorge.

Die Tradition der Schweiz als offenes Asylland habe nur dann Bestand, wenn es gelinge, den Missbrauch des Asylrechts konsequent zu bekämpfen, sagte Parteipräsident Ueli Maurer vor den Medien in Bern. Missbrauch bewirke Frustration in allen Bevölkerungsschichten, woraus Feindseligkeiten wachsen könnten. Der grösste Teil der Asylsuchenden sei über sichere Drittstaaten eingereist, sagte Esther Weber, Präsidentin der SVP-Frauen. 1993 hatte die SVP die erste Volksinitiative ihrer Parteigeschichte mit dem Titel «gegen die illegale Einwanderung» mit rund 110 000 Unterschriften deponiert. In der Volksabstimmung vom 1. Dezember 1996 unterlag sie gegen knapp 54 Prozent Nein-Stimmen.

Der Wortlaut der Initiative Art. 121 Abs. 1a (neu)

Zur Verhinderung von Asylrechtsmissbrauch beachtet der Bund unter Vorbehalt der völkerrechtlichen Verpflichtungen insbesondere folgende Grundsätze:

a. Ist der Asylsuchende aus einem sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist, wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, wenn der Asylsuchende im Drittstaat ein Asylgesuch gestellt hat oder hätte stellen können.

b. Der Bundesrat legt eine Liste sicherer Drittstaaten fest, in denen die Umsetzung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

c. Gegen Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs, welche die Schweiz anfliegen und die geltenden Vorschriften der Mitwirkung bei der Kontrolle der Einreisevorschriften nicht einhalten, werden Sanktionen ergriffen. Einzelheiten regelt das Gesetz.

d. Fürsorgeleistungen an Asylsuchende werden einheitlich für die ganze Schweiz und abweichend von den allgemeinen Normen angesetzt. Sie werden in der Regel durch Sachleistungen erbracht.

e. Die Kantone bestimmen die Leistungserbringer für die ärztliche und zahnärztliche Betreuung von Asylsuchenden.

f. Asylsuchende, deren Gesuch abgelehnt oder auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde und bei denen der Vollzug der Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist, sowie vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht grob verletzen, erhalten bis zu ihrer Ausreise staatliche Fürsorgeleistungen nur im Werte einfacher Unterkunft und Verpflegung sowie ärztlichen und zahnärztlichen Notfalldienst. Erwerbstätigkeiten sind ihnen nur im Rahmen von staatlichen Beschäftigungsprogrammen erlaubt.

(Übergangsbestimmung) Art. 197 (neu)

Die Bestimmungen von Artikel 121 Absatz 1a treten drei Monate nach ihrer Annahme durch Volk und Stände in Kraft. Der Bundesrat erlässt die nötigen Vollzugsbestimmungen auf dem Verordnungswege, bis sie durch die ordentliche Gesetzgebung abgelöst werden.

Asyl-Empfangsstelle in Vallorbe Vallorbe, 13. Nov. (sda) In Vallorbe im Waadtländer Jura ist ein neues Empfangszentrum für Asylsuchende eingeweiht worden. Es verfügt über 280 Betten und ersetzt dasjenige von La Praille in Carouge (Kanton Genf). Die nicht mehr benötigte Kaserne in Vallorbe war in den letzten Jahren - unter anderem im Hinblick auf ihre künftige Bestimmung als Empfangszentrum - für 7,5 Millionen Franken renoviert worden.