junge Welt, 15.11.2000

Hand in Hand mit der Macht

Neonaziüberfall auf Asylbewerber in Arnstadt - Polizei ergriff Partei für die rechten Schläger

Drei Asylbewerber aus Kamerun und Sierra Leone haben thüringische Polizeibeamte der Komplizenschaft mit Neonazis bezichtigt und Anzeige gegen sie erstattet. Die Beamten hätten sie in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober nicht vor den Schlägen von deutschen Neonazis geschützt, sondern selbst noch mit Gummiknüppeln auf sie eingeschlagen, erklärten die drei Männer am Dienstag in Arnstadt. Der Sprecher der Polizeidirektion Gotha, Detlef Kasch, betonte, es habe keine - auch keinerlei verbale - rassistische Angriffe von Polizeibeamten auf die Asylbewerber gegeben.

Am vergangenen Sonnabend hatten 400 Menschen gegen Naziterror, Polizeigewalt und die diskriminierenden Ausländergesetze in Arnstadt demonstriert. Anlaß waren der Neonazi-Überfall und die bis heute anhaltenden Versuche, die Opfer als Täter zu kriminalisieren. An jenem Oktobertag waren die drei Asylbewerber und zwei deutsche Frauen nach dem Besuch der isco »Lindeneck« von 15 Nazis angegriffen worden. Direkt vor dem Denkmal für die Opfer des Buchenwalder Todesmarsches wurde der kamerunische Flüchtling Patterson Kenwou von den mit Baseballschlägern, Knüppeln und einem Messer bewaffneten Nazis niedergeschlagen. Beim Versuch, ihm zu helfen, wurde sein Freund George Fopa verletzt. In Todesangst zog Patterson eine Spielzeugpistole aus der Tasche, worauf die Bande flüchtete.

Als die von den Angegriffenen alarmierte Polizei eintraf, weigerte die sich, die Aussagen der Opfer anzuhören und Schutz zu gewähren. Vielmehr ermutigte sie den Mob, der nach ihrem Eintreffen zum Tatort zurückkehrte, zu weiteren Attacken. Unter den Augen der Polizei wurden die Flüchtlinge immer wieder geschlagen, einer von ihnen von den Nazis »durchsucht«. Später wurden den dreien auf brutale Weise von den Beamten Handschellen angelegt. Dem protestierenden George Fopa wurde angedroht, ihn schutzlos dem Mob zu überlassen. Noch auf der Polizeistation wurden die Flüchtlinge von den ebenfalls dorthin gekommenen Rechten mißhandelt. Polizeibeamte beteiligten sich durch Beleidigungen wie »Tier« und »Nigger«. Bis zu zehn Stunden wurden die Flüchtlinge auf der Wache festgehalten.

Der Pressesprecher der Gothaer Polizei sprach später in einem Bericht von einem Angriff der Afrikaner auf »eine Gruppe von Deutschen«. Auch das Stereotyp vom »als ersten angetroffenen Ausländer, welcher gerade einer deutschen Frau hinterherrannte« fehlte hier nicht. Die Verhaftung der drei wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchter Gefangenenbefreiung hätte »erst mit Hilfe der anwesenden Deutschen« erfolgen können.

Zunehmend widersprechen sich mittlerweile die Sprecher der Polizei bei dem Versuch, die von der Menschenrechtsorganisation The Voice, der Gewerkschaft hbv und dem Thüringer Flüchtlingsrat gegen sie erhobenen Vorwürfe abzuwehren. In der »Thüringer Allgemeinen« vom 9. November spricht der Gothaer Polizeiführer Egon Luthardt von einer Auseinandersetzung aufgrund »persönlicher Rivalitäten wegen Frauen«, während er andererseits die Freundinnen der Afrikaner als nicht neutral bezeichnete. So sollten schon im Vorfeld weiterer Ermittlungen der politische Hintergrund der Tat geleugnet und den beiden deutschen Frauen die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Einen Aspekt solcher Kumpanei zwischen den Nazibanden und der Polizei konnten auch die Demoteilnehmer am vergangenen Samstag erleben. Ungehindert von der Polizei konnten Arnstädter Nazis bis unmittelbar an die Demo herankommen und mit dem Kühnen-Gruß provozieren.

(jW)