Basler Zeitung (CH), 14.11.2000

SVP reicht zweite Asylmissbrauchs-Initiative ein

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) will die Zahl der Asylgesuche mit einer restriktiven Drittstaatenregelung und gekürzten Sozialleistungen senken. Sie hat gestern ihre Volksinitiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» mit rund 109'000 Unterschriften eingereicht.

Bern. AP/wa. Die Tradition der Schweiz als offenes Asylland könne nur Bestand haben, wenn der Asylrechtsmissbrauch eingeschränkt werde, sagte SVP-Parteipräsident Ueli Maurer gestern Montag vor den Medien in Bern. Kernbestimmung der Initiative ist eine massiv verschärfte Drittstaatenregelung. Wer auf dem Landweg in die Schweiz reise, habe ein sicheres Drittland durchquert, sagte Esther Weber, Präsidentin der SVP-Frauen. Jeder dieser Asylsuchenden könne in Italien, Österreich, Deutschland oder Frankreich ein Gesuch einreichen. Trotzdem zögen viele die Schweiz wegen ihrer Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten vor. Die EU habe das Recht auf die Wahl des Asyllandes bereits abgeschafft.

Heute kommt die Drittstaatenregelung zur Anwendung, wenn sich der Bewerber einige Zeit in einem Drittland aufgehalten hat. Nach wie vor asylberechtigt wären jene, die auf dem Luftweg direkt in die Schweiz gelangten, sagte Weber. Laut Maurer könnten Asylsuchende künftig über eine Schweizer Botschaft im Ausland ihr Asylgesuch einreichen. Zudem würden Asylsuchende auch sonst weiterhin in die Schweiz gelangen, die SVP mache sich da «keine Illusionen».

Freie Arztwahl einschränken

Mit der Initiative würden zudem die Fürsorgeleistungen an Asylsuchende auf das Niveau der anderen europäischen Länder gesenkt, sagte Nationalrat André Bugnon (SVP, VD). Betroffen wären insbesondere abgewiesene Bewerber und solche, die ihre Mitwirkungspflicht verletzen. Sie sollen nur noch Unterkunft und Verpflegung erhalten. Auch die freie Arztwahl und die Arbeitserlaubnis werde eingeschränkt. Schliesslich will die SVP Fluggesellschaften bestrafen, die Flüchtlinge in der Schweiz ohne Visum im Transit von Bord gehen lassen. Nach zwei Jahren mit über 40'000 Asylgesuchen werde in diesem Jahr mit 18'000 Bewerbern der so genannte Normalzustand erreicht, sagte Nationalrat Jakob Freund (SVP, AR). Bei einer Anerkennungsquote von zehn Prozent werde immer noch über eine Milliarde Franken aufgewendet. Angesichts dieser Zahlen müsse dafür gesorgt werden, dass weniger «Pseudoflüchtlinge» in die Schweiz kämen und die Hilfe den echten Flüchtlingen zugute komme. Laut Ueli Maurer hat die Initiative bereits Wirkung gezeigt. So seien im neuen Asylgesetz Fürsorgeleistungen nicht mehr zwingend nach den gleichen Grundsätzen wie für Schweizer auszurichten. Zudem sehe das in die Vernehmlassung geschickte Ausländergesetz Sanktionen gegen Fluggesellschaften vor, die ihre Sorgfaltspflicht verletzten. Um die Asylpolitik nicht mit der Ausländerpolitik zu vermischen, müsse der Bundesrat die Initiative rasch und damit vor der Behandlung des Ausländergesetzes im Parlament vors Volk bringen, forderte Maurer. Das Volk hatte im Dezember 1996 eine erste Asylinitiative der SVP abgelehnt, welche sich vor allem gegen die illegale Einreise richtete.

Eigentlich nicht viel Neues

In einer Stellungnahme fordert die Asylorganisation «Solidarité sans frontières» den Bundesrat auf, die Initiative für ungültig zu erklären, wenn sie die Flüchtlingskonvention verletze. (Der Initiativtext der SVP enthält den Vorbehalt, das Völkerrecht zu berücksichtigen.) Die Initiative sei ein weiteres Zeichen dafür, dass die SVP nicht bereit sei, mit den anderen Bundesratsparteien politisch tragbare Lösungen zu suchen, schreibt die SP. Die Initiative enthalte eigentlich nicht viel Neues, zum Teil sogar geltendes Recht, zum Beispiel bei der ärztlichen Versorgung, erklärt Jürg Schertenleib von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Bei der Bestimmung, wonach nicht auf ein Asylgesuch eingetreten wird, wenn der Asylsuchende in einem Drittland ein Asylgesuch gestellt hat oder hätte stellen können, handelt es sich laut Schertenleib um eine «Fiktion». «Es wird die Zahl der Asylsuchenden nicht reduzieren.» Es würde dann auf Asylgesuche nicht eingetreten, doch eine Wegweisung der Betroffenen würde an der Weigerung der anderen Staaten scheitern, sie zu übernehmen. Damit würde aber nur ein neues Vollzugsproblem geschaffen.