Frankfurter Rundschau, 14.11.2000

Der Krieg gegen Frauen beginnt vor dem Waffengang

Tagung macht vielfältige Formen der Gewalt aus / Teilhabe an Friedensprozessen verlangt

Von Monika Kappus (Bonn)

Wer den Frieden will, darf die Rolle der Frauen im Krieg sowie bei der Krisenbewältigung nicht übersehen und muss zugleich darauf aus sein, ein gewaltfreies Männerbild zu etablieren. Zu diesem Ergebnis kamen Betroffene und Expertinnen am Montag bei der Bonner Tagung "Kein Krieg ohne Frauen - Ohne Frauen kein Frieden?"

"Soldaten sagen, sie gehen raus, um Frauen und Kinder zu schützen. Das Gegenteil ist der Fall", konstatierte Kay Fölster vom Marie-Schlei-Verein, der die Tagung zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltete. Frauen werden in bewaffneten Konflikten in vielfältiger Weise Opfer, wie Referentin Cordula Reimann aus Brighton betonte.

"Die Sexualisierung der Kriegszonen ist ein bekanntes Phänomen," sagte Reimann. Schon vor Beginn von Kampfhandlungen breite sich gewerbliche Prostitution aus und damit Sexualkrankheiten wie Aids. Sexuelle Erniedrigung, Zwangsprostitution bis hin zur Massenvergewaltigung und zu erzwungenen Schwangerschaften kommen demnach im Krieg hinzu.

Als geschlechtsbedingte Kriegsfolge nannte Beulah Moonesinghe aus Sri Lanka Isolation. Die Frauen der vielen im Bürgerkrieg verschwundenen Männer zählten plötzlich bei den Verwandten nichts mehr. Statt Unterstützung zu erfahren würden sie oft mit dem Vorwurf konfrontiert, der Familie Unglück gebracht zu haben.

Selbstmord-Attentäterinnen der Befreiungstiger von Tamil Eelam würden häufig gezwungen, Anschläge auszuführen, weil die Anführer Angehörige entführten. So würden die Frauen auch hier für "Brutalitäten der Männer genutzt".

Cordula Reimann, die den Bürgerkrieg unter der Geschlechter-Perspektive betrachtet, berichtete von heimkehrenden Armeesoldaten, die ihre Frauen vergewaltigten. Doch auch eine Frau als Präsidentin wie Chandrika Kumaratunga thematisiere die häusliche Gewalt nicht, schränkte Reimann ein, die das Bild von der bloß friedfertigen Frau für falsch hält. Schließlich träten Frauen in Kriegen nicht nur als Opfer, sondern auch als Täterinnen in Erscheinung.

So hätten sie sich aktiv am Völkermord in Ruanda beteiligt. Zudem könnten Konflikte Frauen vorübergehend "ermächtigen", indem sie aus klassischen Rollenbildern heraustreten müssten. Auch könnten Männer die angebliche Friedfertigkeit von Frauen dazu nutzen, sie von der Macht auszuschließen, warnte Reimann.

Wollten Frauen sich effektiv an Friedensprozessen beteiligen, müsse sich aber vermutlich auch die Hierarchie verändern.

Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Friedensprozessen wurde in Bonn mehrfach verlangt. Schon allein deshalb, weil sie ansonsten beim Aufbau einer Zivilgesellschaft vergessen und erneut zu Opfern gemacht würden - etwa wenn vergewaltigte Frauen bei Verfahren gegen ihre Peiniger vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal retraumatisiert würden, weil sie nur wie "lebendes Beweismaterial" behandelt würden, wie sich Monica Hauser von der Hilfsorganisation MedicaMondiale ausdrückte. Oder wenn vergessen wird, wo und wie Flüchtlingslager eingerichtet werden, die Frauen vor neuen Übergriffen Schutz bieten.

Zum Schluss wollte bei der Tagung in Bonn keine fragen, ob Frieden ohne Frauen zu machen sei. Ohne Männer aber auch nicht, schien die einhellige Meinung. Die müssten dazu gebracht werden, so hieß es, ihresgleichen zu vermitteln, "dass sexualisierte Gewalt nicht zu einem Mann gehören muss".