Süddeutsche Zeitung, 14.11.2000

Parteispitze beschließt Eckpunkte-Papier zur Einwanderung

CSU will Grundrecht auf Asyl abschaffen

"Institutionelle Garantie reicht zur Aufnahme politisch Verfolgter" / Zuzug aus Nicht-EU-Staaten soll begrenzt werden / Von Michael Stiller

München - Die CSU hat auf einer Vorstandssitzung in München eigene "Thesen zur Zuwanderungspolitik" beschlossen und sie dem vor einer Woche veröffentlichten Papier der CDU an die Seite gestellt. Ziel sei ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Union, erklärte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. "Wer aber schlussfolgert, es gebe eine Konfrontation mit der CDU, ist auf dem medialen Holzweg", sagte er. Es gebe "keine gravierenden Unterschiede" bei den Vorlagen, die CSU formuliere aber konkreter. So seien die in dem vom bayerischen Innenminister Günther Beckstein vorgelegten Thesenpapier angestrebten Änderungen beim Asylrecht schärfer akzentuiert.

"Kein Einwanderungsland

Die CSU beharrt darauf, dass Deutschland "kein klassisches Einwanderungsland " sei. Eine Begrenzung des Zuzugs aus Nicht-EU-Staaten sei unabdingbar, heißt es in der Vorlage, die nun in einer Kommission der CSU diskutiert werden soll. Innerhalb von Grenzen, deren Festlegung eine politische Entscheidung sei, kann "eine sozialverträgliche, maßvolle Zuwanderung aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen sinnvoll und aus humanitären Gründen geboten sein". Dem CSU-Parteitag am Wochenende soll das Thesenpapier nicht vorgelegt werden. Es findet sich aber in Grundzügen in einem "Appell für eine menschliche, soziale und moderne Gesellschaft" des CSU-Vorstands an den Parteitag.

Das Grundrecht auf Asyl soll nach den Vorstellungen der CSU abgeschafft und in eine "institutionelle Garantie" umgewandelt werden. Damit bleibe die Aufnahme wirklich politisch Verfolgter gewährleistet. Unabhängige Beschwerde-Ausschüsse nach französischem Vorbild sollen "in einem vereinfachten Verfahren" entscheiden. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte der Süddeutschen Zeitung, die Asylproblematik werde in der CDU-Kommission besprochen. "Die Frage der Bekämpfung von Asylmissbrauch muss sachlich gelöst werden. Das will auch die CSU. Ich plädiere in diesem Punkt für Sachlichkeit", erklärte sie.

Den umstrittenen Begriff "Leitkultur" verwendet die CSU nicht zusammen mit dem Wort "deutsch". Sie leitet ihn aus dem "europäisch-abendländischen Wertefundament" mit den Wurzeln "Christentum, Aufklärung und Humanismus" ab. Stoiber zeigte sich verwundert, dass der Begriff, "den wir nahezu zwei Jahre verwenden, ohne größere Aufmerksamkeit zu erregen, jetzt zu solchen Eruptionen führt". Die rhetorische Frage des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, ob unter deutscher Leitkultur zu verstehen sei, dass Fremde gejagt, Synagogen angezündet, Obdachlose getötet würden, nannte Stoiber "absurd" und bei allem "Verständnis für jüdische Bürger gerade aus der Holocaust-Generation objektiv abwegig".