Süddeutsche Zeitung 11.11.2000

Ablehnende Reaktion auf Arafat-Besuch in Washington

Barak ohne Hoffnung auf neuen Friedensgipfel

Israels Ministerpräsident: Ich glaube nicht, dass die Gespräche in naher Zukunft wieder aufgenommen werden / Von Thorsten Schmitz


Jerusalem – Israels Premierminister Ehud Barak hat die Erwartungen an sein Treffen mit US-Präsident Bill Clinton an diesem Sonntag gedämpft. Beim Besuch einer Armeebasis nahe der Stadt Ramallah im Westjordanland erklärte Barak, er erwarte nicht, dass die Friedensgespräche mit den Palästinensern in naher Zukunft wieder aufgenommen werden. Barak sagte: „Ich fahre nach Washington in der Hoffnung, zusammen mit den Amerikanern dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten.“ Gleichwohl wolle er alle Erwartungen an das Ergebnis des Treffens herunterschrauben: „Ich gehe nicht davon aus, dass dadurch die Friedensgespräche wieder gestartet werden.“ Barak hatte bereits vor zwei Wochen jegliche Friedensgespräche mit den Palästinensern auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Israel wirft Palästinenserpräsident Jassir Arafat vor, er halte sich nicht an die in Scharm el-Scheich vor drei Wochen getroffene Vereinbarung, für ein Ende der Gewalt zu sorgen.

Barak reagierte mit seiner Äußerung zugleich auf Aussagen Arafats, der nach einem Treffen mit Clinton am Donnerstag die Teilnahme an einem zweiten Gipfeltreffen in Camp David in Aussicht gestellt hatte. Der erste Gipfel im Juli war ergebnislos beendet worden, weil Arafat auf uneingeschränkter palästinensischer Souveränität des arabischen Ostteils Jerusalems inklusive der Altstadt bestanden hatte. Israel war bereit gewesen, die Souveränität zu teilen. Arafat erklärte am Donnerstag, er sei an einem neuen Gipfeltreffen mit Barak unter Vermittlung Clintons interessiert, allerdings müsse das Treffen „intensiver“ vorbereitet werden. Es müsse zudem sichergestellt sein, dass der Gipfel erfolgreich verlaufe und die Fragen nach der Zukunft Jerusalems und dem Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge nicht ausgeklammert würden. Das Gespräch mit Clinton hatte Arafat als „konstruktiv“ bezeichnet. Ein Sprecher des Weißen Hauses machte dagegen nach dem zweistündigen Treffen keine Angaben über den Gesprächsverlauf, sondern erklärte lediglich: „Wir sind weiterhin sehr frustriert.“ Beim anschließenden Fototermin sahen Clinton und Arafat einander auch nicht wie sonst üblich an.

Arafat forderte am Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat erneut die Entsendung einer UN-Schutztruppe in die Palästinensergebiete. Er will mit Unterstützung arabischer Staaten die Entsendung von mindestens 2000 Blauhelmsoldaten erreichen. Sein Ansinnen wird bisher von den USA, Israel und UN-Generalsekretär Kofi Annan allerdings nicht unterstützt. Der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Efraim Sneh bezeichnete die Idee von UN-Truppen als „taktischen Zug“ Arafats. Dieser versuche „alles“, um ein persönliches Friedensgespräch mit Barak zu vermeiden.

Nach den traditionellen Freitagsgebeten auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Israelis und Palästinensern in Ramallah und Hebron, die beide im Westjordanland liegen. Nach palästinensischen Angaben kamen drei Palästinenser durch Kugeln israelischer Soldaten ums Leben. In Bethlehem wurde nach Angaben der israelischen Armee ein Soldat durch einen Schuss in die Kehle lebensgefährlich verletzt. Die israelische Armee riegelte Ramallah und Bethlehem ab.