Die Presse (Wien), 11.11.2000

Ölmärkte: Händler erwarten weiteren Preisschub

Der Ölverbrauch wird internationalen Experten zufolge nächstes Jahr rückläufig sein, die Produzenten dürften darauf mit Förderkürzungen antworten.

WIEN (schell/ag.). An den internationalen Rohölmärkten geht wieder das Preisgespenst um. Bereits vor Weihnachten könnte es internationalen Fachleuten zufolge zu einem weiteren Preisanstieg des derzeit bei knapp 31 Dollar je Barrel notierenden Rohöls kommen. Das Spektrum der Erwartungen reicht bis zu einer kurzfristigen Erhöhung der Preise von bis zu 40 Dollar, eine Entspannung erwarten Händler erst in der zweiten Winterhälfte. Der Grund für die jüngsten Preisprognosen sind unterschiedlicher Natur. Einerseits steht der nachfragestarke Winter vor der Tür, wobei die weltweiten Lagerstätten noch immer nicht aufgefüllt sind. Andererseits glauben Ölhändler, daß das Treffen der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) am kommenden Wochenende in Wien erstmals seit langem wieder eine Verknappung der Fördermengen bringen könnte. Realistisch scheint derzeit jedenfalls, daß die Opec eine Kürzung der Produktion - genauer gesagt der bekanntgegebenen Förderquoten - ins Auge fassen wird. Motiv dafür ist laut Tatsuo Masuda, Ölexperte der International Energy Agency (IEA), daß die Opec einen neuerlichen Preiskollaps wie vor drei Jahren fürchtet. Ausschlaggebend dafür könnte nicht zuletzt eine von der IEA veröffentlichte Studie sein, wonach sich der Erdöl-Durchschnittsbedarf im ersten Quartal des kommenden Jahres weltweit von derzeit 78,4 Mill. Barrel auf 77,5 Mill. Barrel verringern wird. Im zweiten Quartal könnte der Bedarf sogar auf 75,6 Mill. Faß abrutschen, prognostiziert die IEA. Derzeit erscheint es jedenfalls als höchst unwahrscheinlich, daß die Opec bereits am kommenden Wochenende eine Entscheidung über die künftige Förderpolitik treffen wird. Zumal derzeit ja auch noch Förderanhebungen aufgrund des immer noch hohen Preisniveaus von einzelnen Opec-Staaten - wie Saudiarabien - noch nicht ad acta gelegt wurden. "Zeitbombe" Irak

Der Wiener Energiebroker Johannes Benigni mißt dem Verhalten der Opec insgesamt nicht allzu große Bedeutung bei. Seiner Ansicht seien die Diskussionen in der Opec eher theoretischer Natur. So hat die Opec zwar heuer mehrmals eine Anhebung der Förderquoten beschlossen, wesentlich mehr Öl ist laut Benigni allerdings nicht auf den Markt geworfen worden. Das hänge einerseits damit zusammen, daß die meisten Förderländer aufgrund von Kapazitätsengpässen gar nicht mehr produzieren konnten. Und jene, die wie Saudiarabien tatsächlich mehr förderten, konnten das Öl aufgrund von mangelnden Tankerkapazitäten nicht auf die Märkte bringen. Benigni sieht derzeit im Irak den großen Unsicherheitsfaktor. Das Land könnte versuchen, die Förderung stärker als andere zurückzufahren, und so den Ölpreis - vor allem zum Leidwesen der USA - hoch zu halten. Der Irak trat auch in der Vergangenheit immer für eine harte Gangart gegenüber dem Westen ein, indem er sich gegen höhere Fördermengen aussprach -nicht zuletzt aufgrund eigener technischer Probleme.