Berner Zeitung, 10.11.2000

kurdisches Theater

Poetische Sprache und Humor

Weltpremiere in der Rotonda: Kurden und Türken führen ein kurdisches Theaterstück auf Deutsch auf. Der Berner Regisseur Hanspeter Utz hat das kurdische Stück der heutigen Situation der Kurden angepasst.

*Hannah Einhaus

«Birîna Res - Die schwarze Wunde» heisst das Stück und Musa Anter sein Autor. Der 1992 im Stadtzentrum von Diyarbakir ermordete Schriftsteller, Philosoph und Journalist war und ist für die Kurden mehr als ein Schreibmächtiger. Das Stück schrieb er 1959 in einem Gefängnis in Istanbul. Er wurde zum Hüter der kurdischen Sprache und Kultur, zur Vaterfigur schlechthin. Mit der «schwarzen Wunde» umschrieb Anter nicht nur Tuberkulose, Lepra oder die Augenkrankheit, sondern deren tiefere Ursachen: die Unwissenheit, die Armut, das Elend.

Der Übersetzer und Verleger Yusuf Yesilöz aus Winterthur und der Berner Regisseur Hanspeter Utz haben sich des Stücks angenommen. Nun liegt eine deutsche Version vor, vorsichtig in die heutige Zeit und an die aktuelle Situation von Kurden in der Schweiz angepasst. «Anter hat eine kräftige, poetische Sprache und besticht durch seinen Humor», schwärmt Utz.

Plädoyer für Bildung

Die zentrale Figur des Stücks ist Ziwo, eine Mutter von sieben gestorbenen Kindern. Sie will aus diesem Elend herauskommen und setzt alles daran, dass wenigstens ihr noch lebender Sohn Bedo mit einer guten Ausbildung den Weg schafft. Er wird Arzt. «Das Stück ist mehr als ein Plädoyer für die Bildung», erläutert Utz. «Es regt zum Nachdenken an über gewachsene Machtstrukturen, über Gesellschaft und Zukunft schlechthin.»

Das Stück ist weder eine innerkurdische Angelegenheit noch ein verklärter Blick zurück in alte Zeiten. Die Übersetzung und Inszenierung auf Deutsch sowie die Szenen mit Diaprojektionen vom Bundesplatz erzeugen Brechungen und stellen den Bezug zur Gegenwart im Schweizer Exil her. «Das Stück soll verbinden und integrieren», so Utz weiter. Alte Traditionen und erdige Werte verbänden sich mit intellektuellen Werten.

Kurdische Prominenz

Ein Zufall brachte das Theaterstück nach Bern: Die Projektleiterin Eveline Gutzwiller ist Theologin beim katholischen Pfarramt St. Mauritius und stiess bei kurdischen Freunden auf das Theaterwerk. «Mit diesem kulturellen Projekt möchte ich das Schweizer Publikum an die Anliegen der Kurden erinnern», berichtet sie. Nach der Verhaftung des Kurdenführers Öcalan sei es in den Medien still um die Minderheit in der Türkei geworden. In Zusammenarbeit mit der Ökumene, städtischen Institutionen, kurdischen Sozialarbeitern, Utz und Yesilöz gelang ihr die Lancierung des Projekts. Unter den drei Schauspielerinnen und vier Schauspielern findet sich auch kurdische Prominenz: Die Hauptdarstellerin Fidan Firat hat bereits in Solothurn in Theaterprojekten gespielt. Der Schriftsteller Ali Biçer, im Theaterstück der Dorfonkel Sado, verdient sich hierzulande das Brot als Koch. «Es ist für mich der erste Auftritt in deutscher Sprache», berichtet er und verbirgt sein Lampenfieber nicht.

Für die Aufführungen verlangen die Organisatoren übrigens keinen Eintritt, sondern hoffen auf Beiträge in die Kollekte. *