Freie Presse, 10.11.2000

Türkei empört über Zypern-Forderung der EU - Pro-kurdische Partei kritisiert Brüssel für mangelnde Klarheit

Die Türkei hat sich empört über die Erwähnung der Zypern-Frage im Katalog der EU-Beitrittsbedingungen gezeigt. Der Zypern-Passus habe für sein Land keine Gültigkeit, sagte der türkische Außenminister Ismail Cem am Rande eines Ministertreffens in Straßburg. Die Türkei werde auch zukünftig keinerlei Verbindung zwischen ihrem angestrebten EU-Beitritt und der von der EU unterstützten UN-Friedensregelung für Zypern akzeptieren. Die pro-kurdische Partei Hadep dagegen warf der EU vor, in dem Papier zum EU-Beitritt der Türkei das Kurdenproblem nicht klar genug anzusprechen.

Cem kritisierte, die EU habe die Zypern-Frage in letzter Minute in den Bedingungskatalog aufgenommen, um "das Herz eines gewissen EU-Staates", nämlich Griechenlands, zu gewinnen. Die Haltung der EU rücke eine Lösung für Zypern in weite Ferne und verstärke nur die unnachgiebige Haltung der griechischen Zyprer im Süden der Insel. Zwischen der Türkei und Griechenland kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Spannungen, nachdem die Türkei 1974 Nordzypern besetzte. Der türkische Teil der Mittelmeerinsel ist international nicht anerkannt.

Hadep-Chef Ahmet Turan Demir kritisierte, die Kurden seien in dem EU-Papier nicht direkt genannt worden. Die EU hatte mit Rücksicht auf die Regierung von Ankara darauf verzichtet, in dem 16-seitigen Dokument die Begriffe "Kurden" oder "Minderheit" zu verwenden.

Unterdessen wurde die Vorsitzende der Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments, Sema Piskinsüt, abgesetzt, offenbar wegen einer zu kritischen Haltung. Piskinsüt zeigte sich empört über die Amtsenthebung durch ihre eigene Partei, die Demokratische Linke von Ministerpräsident Bülent Ecevit. Der des Posten wird durch einen Rechtsaußen-Politiker neu besetzt. Piskinsüt hatte in den vergangenen drei Jahren eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen in Polizeistationen und Gefängnissen aufgedeckt.

Das von der EU-Kommission unter Federführung von Erweiterungskommissar Günter Verheugen veröffentlichte Dokument zur Beitrittspartnerschaft enthält eine Liste von Bedingungen, die die Türkei bis spätestens 2004 erfüllen soll. Unter anderem fordert die EU, die Menschenrechtslage umfassend zu verbessern, die Todesstrafe abzuschaffen und den Einfluss der Militärs auf die Politik zurückzudrängen. (AFP)