junge Welt 9.11.2000

Schüsse am Grenzposten

Wieder Tote in palästinensischen Gebieten. jW-Bericht

Die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern haben in der Nacht zum Mittwoch erneut drei Todesopfer gefordert. Ein Palästinenser hatte an einem israelisch kontrollierten Grenzübergang zwischen dem Gaza- Streifen und Ägypten das Feuer auf ein israelisches Fahrzeug eröffnet. Eine Grenzbeamtin starb, ihr Begleiter wurde leicht verletzt, wie israelische Stellen mitteilten. Als Reaktion schloß Israel erneut den Flughafen von Gaza. Indes erlagen zwei palästinensische Jugendliche ihren Verletzungen, die ihnen israelische Soldaten während der Zusammenstöße zugefügt hatten.

In der Nacht zu Mittwoch schossen Palästinenser auf israelische Armeeposten, auf die jüdische Siedlung Gilo östlich von Jerusalem und auf zwei Sieldungen im Westjordanland. Die israelischen Soldaten erwiderten das Feuer und beschossen Beit Dschalla mit einer Rakete. Dabei wurden nach Krankenhausangaben elf Menschen leicht verletzt.

Die palästinensische Autonomiebehörde erklärte, sie versuche, die Jugendlichen zu überzeugen, sich aus den Konfrontationen mit israelischen Soldaten herauszuhalten. Der palästinensische Informationsminister Jassir Rabbo schrieb in einem Brief an eine israelische Menschenrechtsorganisation, die Israelis seien für die Todesfälle unter den Jugendlichen verantwortlich. »Warum reagieren sie mit Raketen auf Steine?« fragte er.

Der palästinensische Präsident Yassir Arafat erneuerte vor seinem Treffen am heutigen Donnerstag mit US-Präsident Clinton seine Forderung nach der Stationierung einer internationalen Schutztruppe von 2 000 Soldaten in den Autonomiegebieten. Arafat kündigte an, dieses Thema in Washington anzusprechen. Der Sicherheitsrat wollte die Stationierung auf Druck der arabischen Staaten noch am Mittwoch diskutieren. Diplomaten erwarteten jedoch keine Ergebnisse, da UN-Generalsekretär Kofi Annan zuvor erklärte, eine Stationierung sei ohne das Einverständnis Israels nicht möglich. »Da die israelische Regierung nicht kooperieren wird, sehe ich nicht, wie die Soldaten stationiert werden könnten«, sagte Annan am Dienstag abend.

Israels Premierminister Ehud Barak hatte ebenfalls am Dienstag in einem Brief an mehrere Regierungen die Möglichkeit der Wiederaufnahme von Friedensgesprächen angedeutet, die »zur Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates führen werden«. Falls die Palästinenser aber die derzeitigen Unruhen fortsetzten, sei Israel aber gezwungen, die Sicherheit seiner Bürger zu schützen, schränkte Barak jedoch ohne einen Verweis auf die israelische Urheberschaft der Konflikte ein.