Frankfurter Rundschau, 09.11.2000

Zur Sache

Anerkennungen in Asylverfahren

Das Asylrecht wird zwischen den Parteien zum Knackpunkt bei der Einwanderungsgesetzgebung werden. Kronzeuge für die von der Union geforderte Änderung des Asylrechts ist dabei die niedrige Anerkennungsquote von derzeit knapp drei Prozent. Doch die amtliche Zahl ist ein dubioser Kronzeuge, wie eine Analyse aus dem Haus der Bundesausländerbeauftragten zeigt.

Die Durchsicht der amtlichen Statistiken überraschte selbst die Prüfer: In den vergangenen fünfeinhalb Jahren kamen 578 000 Asylantragsteller nach Deutschland. Im gleichen Zeitraum wurde rund 280 000 Personen, also nahezu der Hälfte, aus zwingenden rechtlichen Gründen und wegen objektiver Abschiebehindernisse in Schutz gewährt.

Das Missverhältnis - nur drei Prozent Anerkennungsquote, aber Schutzgewährung für mehr als 48 Prozent - hat mehrere Gründe: Zusätzlich zu denen, denen Asyl nach Artikel 16 des Grundgesetzes gewährt wird, erkennt das Asylbundesamt rund neun Prozent weitere Flüchtlinge nach internationalen Abkommen wie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention an. So erhöht sich die amtliche Quote auf mehr als zehn Prozent. Doch auch diese Zahl ist durch einen statistischen Kunstgriff niedrig gerechnet. Das Bundesamt nimmt als Berechnungsgrundlage für seine Anerkennungsquote nämlich die Gesamtzahl aller Asylanträge; und dazu gehören auch die Gesuche, die aus rein formalen Gründen abgelehnt werden oder sich durch die Ausreise des Flüchtlings erledigt haben.

Diese "formalen Ablehnungen" betreffen immerhin rund 25 Prozent aller gestellten Anträge. Dort, wo die Prüfer tatsächlich inhaltlich über politische Verfolgung entschieden, stieg mittlerweile die Anerkennungsquote auf etwa 15 bis 22 Prozent.

Zählt man die Fälle hinzu, in den sich Asylbewerber erst vor Gericht die Anerkennung erstritten, klettert die Quote um im Durchschnitt sieben weitere Prozentpunkte und nähert sich nach den Angaben der 25- bis 30-Prozent-Marke.

Addiert man dazu noch die Flüchtlinge, die nach abgelehntem Asylanträgen aus humanitären Gründen in Deutschland geduldet oder aus von ihnen nicht vertretbaren Gründen nicht abgeschoben werden können, dann lesen sich die politisch gehandelten Zahlen über den vermeintlichen Asylmissbrauch ganz anders: Rund 50 Prozent der Flüchtlinge in der Bundesrepublik gelten - streng nach Recht und Gesetz - als schutzwürdig. (vgo)