Frankfurter Rundschau, 08.11.2000

Teherans Botschafter einbestellt

Berlin reagiert auf Härte der Justiz Irans gegen Reformer

Von Richard Meng und Ahmad Taheri

Das Vorgehen der Teheraner Justiz gegen Teilnehmer einer Konferenz zur iranischen Reformbewegung in Berlin hat die deutsch-iranischen Beziehungen neu belastet. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) bestellte am Dienstag den iranischen Botschafter ins Auswärtige Amt ein. Zuvor war bekannt geworden, dass auch gegen einen Dolmetscher der deutschen Botschaft in Iran Anklage erhoben wurde.

BERLIN/FRANKFURT A. M., 7. November. Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Ischinger trug dem Botschafter Teherans, Ahmad Azizi, die Sorge der Bundesregierung wegen des harten Vorgehens der iranischen Justiz gegen den Botschafts-Dolmetscher Said Sadr vor. Sadr kam am Dienstag nach Zahlung von umgerechnet rund 376 000 Mark Kaution auf freien Fuß. Die Anklage wirft ihm vor, er habe vor der Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung Anfang April in Berlin Kontakte zwischen der Stiftung und ihren iranischen Gästen hergestellt. Außerdem habe er durch diplomatische Post der deutschen Mission Schriften der Opposition ins Land geschmuggelt und verbreitet. Nach Presseberichten droht ihm im Fall einer Verurteilung die Todesstrafe.

In Berlin wird befürchtet, die von konservativen Kräften dominierte iranische Justiz beabsichtige erneut eine gezielte Störung des Öffnungsprozesses Irans. In der Bundesregierung wird ferner darauf verwiesen, dass es seit Monaten immer wieder Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen in Iran und ein problematisches Vorgehen "einer von den Mullahs kontrollierten Justiz" gab. Sie seien in Europa kaum registriert worden, weil keine Europäer betroffen gewesen seien.

In Teheran stehen derzeit 17 islamische und säkulare Intellektuelle vor dem Revolutionsgericht. Der Staatsanwalt wirft ihnen vor, bei der Tagung der Böll-Stiftung gegen die nationale Sicherheit Irans konspiriert zu haben. So beschuldigt der Ankläger die Herausgeberin der Zeitschrift Zanan (Die Frauen), Schahla Scherkat, sie habe in Berlin gegen den Hidschab, die islamische Kopfbedeckung, Stellung genommen. Frau Scherkat war bei der Konferenz mit streng islamischer Kleidung aufgetreten und hatte dafür plädiert, dass es der Entscheidung der Frauen überlassen bleiben soll, ob sie den Hidschab tragen.

In den vergangenen Tagen wurden weitere Personen angeklagt, die sich derzeit nicht in Iran aufhalten. Dazu gehören die Organisatoren der Konferenz, der Publizist Bahman Niroumand, das Grünen-Mitglied Mehdi Jaafari Gorzini und der Deutsche Thomas Hartmann. Angeklagt sind ferner der Soziologe Dschingis Pahlawan und der Romanist Khazem Kardawani. Den Betroffenen wird Propaganda gegen die Islamische Republik vorgeworfen.