Frankfurter Rundschau 7.11.2000

Für Zugeständnisse braucht Arafat einen Erfolg

Palästinenser bestehen auf UN-Beobachter in Nahost / Clinton sucht nach Kompromiss

Von Inge Günther (Jerusalem)

Die Palästinenser sind klar dafür, die Israelis strikt dagegen. Die USA halten die Idee, zur Eindämmung des Nahost-Konflikts UN-Beobachter nach Gaza und Westbank zu entsenden, zumindest für diskutabel. Tabu dürfte das Thema jedenfalls nicht sein, wenn Bill Clinton am Donnerstag mit PLO-Chef Yassir Arafat und am Sonntag mit Israels Premier Ehud Barak spricht.

Verzweifelt gesucht: ein neuer Ansatz, um die Streitparteien zu bewegen, ihre Waffen niederzulegen und wieder am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Offenbar will der scheidende US-Präsident dabei nichts unversucht lassen. Nach israelischen Medienberichten hat Washington der Regierung Baraks nahe gelegt, das palästinensische Verlangen nach internationaler Aufsicht in den besetzten Gebieten wenigstens zu bedenken. Möglicherweise lasse so die Lage tatsächlich beruhigen.

Zuletzt Sonntagnacht hatte Arafat in einem Interview mit dem TV-Sender CBS die Forderung nach internationalen Einsatzkräfte bekräftigt, um "die Massaker gegen unser Volk zu stoppen". Über das palästinensische Anliegen soll der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch in New York beraten. Es gilt aber als sicher, dass die USA einen entsprechenden Beschluss des Gremiums mit ihrem Vetorecht blockieren.

Im Weißen Haus will man allenfalls testen, ob Barak den Palästinensern in diesem Punkt auf halber Strecke entgegenkommt. Israelisches Einverständnis für die Entsendung von UN-Beobachtern ist freilich nicht in Sicht. In West-Jerusalemer Regierungskreisen wird die Idee zurückgewiesen. Ganz abgehakt ist sie damit nicht. Der linke Meretz-Chef Yossi Sarid kann dem Vorschlag sogar etwas abgewinnen. Im Spezialfall Hebron hat Israel nach dem Attentat des Siedlerextremisten Baruch Goldstein von 1994 einer Präsenz unbewaffneter internationaler Beobachter schließlich zugestimmt.

Außerdem wollen die Palästinenser als Vermittler nicht mehr alleine die Amerikaner akzeptieren, die in ihren Augen zu stark für die Israelis Partei einnehmen. Die USA hätten ihre Glaubwürdigkeit seit Beginn der neuen Intifada endgültig verspielt, betonte Fatah-Chef Marwan Barghouti. Eine größere Rolle für Europäer und Russen wird ebenso von der Autonomie-Führung gewünscht.

Umso gespannter wird erwartet, inwieweit Clinton nach dem Wahltag in den USA mit beiden Konfliktparteien Tacheles redet. Wie immer sein Nachfolger heißt, ob Al Gore oder George Bush - beide wären wohl heilfroh, wenn Clinton ihnen als Abschiedsgeschenk eine Nahost-Lösung hinterließe. Arafat ist zudem bewusst, dass für Clinton so schnell kein vergleichbar engagierter Ersatz in Sicht ist.

Auch deshalb war es der PLO-Chef, der israelischen Angaben zufolge die Verabredungen in Washington initiierte. Ob in Clintons verbleibender Zeit ein neuer Dreiergipfel auf Basis der Camp David-Verhandlungen zustande kommt, hängt allerdings von einem Gewaltverzicht ab. Falls Arafat ihn durchsetzt, ist Israel zu Gesprächen bereit. Um seine Leute jedoch von dieser Perspektive zu überzeugen, braucht Arafat vorab einen vorzeigbaren Erfolg.

Am heutigen Mittwoch wird zunächst die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, nach Nahost reisen, um die Lage zu untersuchen.