Neue Zürcher Zeitung, 4. November 2000

Besuch von Jordaniens Regierungschef in Bagdad

Viel beachtete irakische Handelsmesse

vk. Limassol, 3. November

Der jordanische Ministerpräsident Abu Ragheb hat am Freitag am Ende eines zweitägigen Irakbesuchs neue Abkommen über die Zusammenarbeit der beiden Nachbarn vorgestellt. Er warwährend anderthalb Stunden mit Präsident Saddam Hussein zusammengetroffen. Bagdad verpflichtete sich, im nächsten Jahr 5 Millionen Tonnen Rohöl und Raffinerieprodukte zum Vorzugspreis von 20 Dollar je Fass an Jordanien zu liefern. Das bedeutet eine Erhöhung der bisherigen Lieferungen um 100 000 Tonnen; die Versorgung des Königreichs mit irakischem Öl zum Freundschaftspreis hält schon seit der Kuwaitkrise von 1990 an. Jordanien erhält auch nächstes Jahr von Präsident Saddam 300 Millionen Dollar zusätzlich geschenkt, um einen Teil des Importöls zu bezahlen. Weiter vereinbarten die Nachbarn den gemeinsamen Bau einer Pipeline von Haditha, nordwestlich von Bagdad, bis zur Raffinerie von Zerka. Jordanien deckt seinen gesamten Erdölbedarf aus dem Irak. Abu Ragheb versprach, Amman werde sich stärker für die Aufhebung des Irak-Embargos einsetzen.

Diese jeden Herbst wiederkehrende Pilgerfahrt nach Bagdad ist für Amman derart wichtig, dass dort jeweils vorher gar kein Budgetentwurf gemacht wird, weil die Höhe der Energierechnung noch unbekannt ist. Auch dieses Jahr musste das Königreich sich das Freundschaftsgeschenk politisch erkaufen. Ein jordanisches Flugzeug eröffnete Ende September einen Reigen arabischerZivilflugzeuge, die im Verstoss gegen das Luftverkehrsembargo Bagdad ansteuerten. Seither sindbereits 40 Flugzeuge auf dem Saddam-International-Airport gelandet; mehr als ein Dutzend davon in den letzten Tagen mit hohen Delegationen für die Eröffnung der Bagdader Handelsmesse. Abu Ragheb war der bisher ranghöchste arabische Politiker, der nach Bagdad kam, und dies gleich auf dem Luftweg. Der Irak rühmte die breite internationale Teilnahme an der Messe als Erfolg seiner Embargobrecher-Politik; am Donnerstag waren 14 offizielle Abordnungen bei der Eröffnung zugegen, 45 Länder nehmen teil, darunter alle arabischen ausser Saudiarabien und Kuwait, weiter über 1550 Firmen, viele aus westlichen Ländern. Vizepräsident Taha Yassin rief bei der Feier alle Staaten auf, den kommerziellen Luftverkehr nach dem Irak wieder aufzunehmen, dakein Beschluss des Uno-Sicherheitsrats dies ausdrücklich verbiete.

Der irakische Erdölminister Rashid gab bekannt, in den nächsten Tagen werde die Erdölleitung von Kirkuk über Haditha nach Syrien erstmals seit 1982 wieder in Betrieb genommen. Sie soll täglich 200 000 Fass transportieren. Syrien kauft das irakische Öl ebenfalls zum Vorzugspreis ein und raffiniert es für den Eigengebrauch; an der Mittelmeerküste exportiert es dafür gleiche Mengen des eigenen Öls, die es zum Marktpreis verrechnet.