taz 4.11.2000

Wieder Hoffnung in Nahost

Nach Verkündung des Waffenstillstands flauen die Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern ab. Beide Seiten vermeiden Schusswaffeneinsätze. Demonstrationen gehen weiter

JERUSALEM dpa/taz Noch fliegen Steine, doch der Einsatz von Schusswaffen wird von Israelis wie Palästinensern vermieden: Nach der Erklärung eines Waffenstillstands am Donnerstag sind die Auseinandersetzungen in Palästina gestern deutlich abgeflaut. Beide Seiten unternehmen offenbar ernsthafte Anstrengungen, die Gewalt auch tatsächlich zu verringern.

Das Freitagsgebet auf dem Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem ging ohne größere Zwischenfälle vorüber. Die israelische Polizei hatte nur Männer über 45 Jahre zum Gebet zugelassen. In mehreren palästinensischen Städten gingen Jugendliche aus Protest gegen die israelische Besatzung auf die Straße. Israelisches Militär ging, anders als zuvor, in der Regel mit Tränengas gegen die Menschen vor oder schoss mit gummiummantelten Stahlgeschossen gezielt auf die Beine. Auf palästinensischer Seite kamen offenbar keine Schusswaffen zum Einsatz. Bis zum Nachmittag wurden deshalb bei Demonstrationen weniger und leichtere Verletzungen gemeldet. "Nach der Entscheidung von Arafat für eine Waffenruhe haben wir unsere Leute angewiesen, keine Schusswaffen mehr zu benutzen", sagte ein örtlicher Fatah-Chef. Aus Dschenin wurde allerdings ein tödlicher Zwischenfall gemeldet. Soldaten erschossen einen bewaffneten Palästinenser. Nahe Jerusalem wurde ein weiterer Palästinenser getötet.

Die israelische Armee hatte bereits am Donnerstag ihre Panzer und andere schwere Waffen vereinbarungsgemäß zurückgezogen. Die israelische Regierung entschied in der Nacht zum Freitag, Arafat kein festes Ultimatum für die Umsetzung der Waffenruhe zu setzen. Der Sicherheitsberater von Ministerpräsident Ehud Barak, Dani Jatom, meinte, man gehe davon aus, dass die palästinensische Autonomiebehörde bemüht sei, die Vereinbarungen zu erfüllen. Barak selbst warnte die eigene Bevölkerung am Freitag vor einer Überreaktion auf die jüngste Gewalttat.

Barak betonte, er halte an seinen Anstrengungen für den Frieden fest und widme diesem Vorhaben alle Kraft. "Wir sind stark genug, um an beiden Fronten standzuhalten: im Ringen um den Frieden und im Kampf gegen Gewalt und Terror", erklärte er. Ein ranghoher Berater Arafats sagte, zwar werde noch von Kämpfen berichtet, doch versuchten die Autonomiebehörden, die Situation zu beruhigen. Der palästinensische Verhandlungsführer Nabil Schaath versicherte, alle täten ihr Bestes: "Im Gaza-Streifen war es heute so ruhig wie lange nicht mehr." Am Vortag hatte Arafat den Bombenanschlag in Jerusalem verurteilt.