Frankfurter Neue Presse, 03.11.2000

Polizeibeamte haben mit Menschrechten Probleme

Wiesbaden. Fachleute haben von der Polizei mehr Sensibilität beim Umgang mit Menschenrechten gefordert. Bei einer Diskussion von Polizei-Führungskräften klagte beispielsweise die Caritas-Sozialarbeiterin Manuela Pintus über Verletzungen der Privatsphäre von Jugendlichen in Jugendheimen durch die Polizei. Bewohner sozialer Brennpunktgegenden berichteten von offenkundigen Vorurteilen bei Beamten und bezichtigten Polizisten in Einzelfällen illegaler Vernehmungsmethoden.

Manuel Parrondo, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen, forderte ein spezielles Training der Beamten für Einsätze in Gegenden mit hohem Ausländeranteil. Die Polizei solle beim Besuch von Moscheen und ausländischen Kulturvereinen den Dialog suchen. Für ein gemäßigteres Vorgehen der Ordnungsmacht im Bereich Kirchenasyl sprach sich Pfarrerin Maria Fromme aus.

Der Frankfurter Polizist Heinrich Heine wies auf die wachsende Arbeitsbelastung hin, die auch zu Fehlern führe. "Je mehr Straftäter wir festnehmen wollen, desto mehr Unschuldige geraten in den Kontrollmechanismus." Im täglichen Dienst gebe es im Einzelfall auch mal Unsensibilität. "Abstumpfung gibt es überall", meinte sein Kollege Christian Klas, "aber bewusste Verletzung von Menschenrechten kaum. Das Problem ist, dass ein paar Ausnahmen in der Öffentlichkeit breitgetreten werden."

Oft werde die Menschenrechtsfrage sogar von Straftätern bewusst ins Spiel gebracht: "Wenn ich in Frankfurt von Ausländern den Pass sehen will, heißt es oft gleich 'Du Nazi'", so Klas. Schützenhilfe kam vom Leiter des Wiesbadener Ausländeramtes, Winnrich Tischel: Mit Bewunderung habe er festgestellt, wie ruhig sich bei Abschiebungen selbst Beamte verhalten hätten, die man "bis aufs Blut gereizt" habe.

Schwächen führt Tischel auf ein Missverhältnis zurück: Von den Beamten werde eine enorme Leistung erwartet, für Qualifizierungen, Ausrüstung und genügend Personal sei aber kein Geld da. Das bestätigte der Frankfurter Grenzschutzsprecher Klaus Ludwig: Maßnahmen wie die Knebelung von Abschiebehäftlingen mit Socken und Motorradhelm, seit dem Tod eines Häftlings verboten, seien aus dem Mangel an geeigneter Ausrüstung entstanden.

Der Einsatz für Menschenrechte muss in Polizeiausbildung und -alltag nach Ansicht des Ausbilders Hartmut Seltmann noch stärker als bislang verankert werden. "Ich sehe keine generellen Defizite bei der hessischen Polizei", sagte der Polizeioberrat von der Hessischen Polizeischule in Wiesbaden am Rande der Tagung. Allerdings könne es zu Menschenrechtsverletzungen kommen, weil auch Polizisten als Individuen Fehler machten. Etwaige Übergriffe müssten "umfassend und möglichst öffentlich" aufgeklärt werden.

In der Ausbildung komme es darauf an, die jungen Polizisten vor einem falsch verstandenen Korpsgeist zu bewahren. Ihnen müsse auch klar gemacht werden, dass sie sich selbst strafbar machen, wenn sie etwa bei einer Misshandlung von Verdächtigen seitens eines Polizisten nicht eingreifen. "Der Korpsgeist muss sein, dass so etwas bei der Polizei nicht vorkommen darf." Dabei reiche es nicht aus, den Lehrplan um eine Unterrichtseinheit "Menschenrechte" zu ergänzen, sagte der Kriminologie-Dozent an der Polizei-Fachhochschule. Das Thema müsse in jedem Fach mitbehandelt werden.

Bei der in der Wiesbadener Polizeischule stattfindenden "Polizei und Menschenrechte-Woche" soll über die Problematik diskutiert werden. Eingeladen sind auch Vertreter der Organisationen "Amnesty international" und "Pro Asyl", die in der Vergangenheit wiederholt deutsche Polizeipraktiken insbesondere gegenüber Flüchtlingen scharf kritisiert haben. Die hessische Polizei nimmt nach eigenen Angaben als einzige Polizei bundesweit an der vom Europarat organisierten Veranstaltungsreihe teil, die an die Verabschiedung der Europäischen Menschenrechtskonvention am 4. November 1950 erinnern soll.

Während der Aktionswoche komme es nicht darauf an, neue Papiere zu beraten und zu propagieren, sagte Seltmann. Die wesentlichen Inhalte seien bereits im Leitbild der Landespolizei festgehalten. Dort heißt es unter anderem: "Wir sind ein unparteiischer Garant für Demokratie und Menschenrechte" und "Wir gehen vorurteilsfrei mit allen gesellschaftlichen Gruppen um". (lhe)