taz, 03.11.2000

Kampf um den Frieden

Wieder vereinbaren Israelis und Palästinenser einen Waffenstillstand. Wieder kommt die Region trotzdem nicht zur Ruhe

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die Waffenruhe schien schon in greifbarer Nähe, da ließ ein Bombenattentat in Jerusalems Zentrum die Hoffnungen erst einmal wieder platzen. Zwei Israelis wurden durch die Explosion einer Autobombe getötet und zehn weitere verletzt worden. Bei einem der beiden Todesopfer handelt es sich um die Tochter des Chefs der National-Religiösen Partei, Jitzhak Levy, die offenbar zufällig den Wagen passierte. Die Attentäter selbst konnten offenbar entkommen.

Auf dem Marktplatz kam es im Anschluss an das Attentat zu wilden Übergriffen von Juden gegen arabische Händlern. Mit Rufen, wie "Tod den Arabern", trieben die aufgebrachten Juden die Araber in die Enge und schlugen einige von ihnen krankenhausreif. Bis zum Nachmittag hatte noch keine der palästinensischen Widerstandsorganisationen die Verantwortung für das Attentat übernommen. Die israelischen Militärs wollen seit gut einer Woche "konkrete Informationen" über ein geplantes Attentat entweder in Tel Aviv oder in Jerusalem haben. Die Hamas hatte noch am Morgen erklärt, dass sie den Widerstand "mit allen Mitteln", so der Sprecher der islamisch-fundamentalistischen Bewegung Mahmud Sachar, fortsetzen werde. Sachar begrüßte das Attentat, von dem er persönlich indes nichts gewußt haben will.

Israels Premierminister Ehud Barak machte den Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat persönlich für das Attentat verantwortlich und rief ihn dazu auf, sämtliche aus dem Gefängnis entlassenen Aktivisten von Hamas und Djihad umgehend wieder festzunehmen.

Die Explosion ereignete sich nur kurze Zeit bevor Barak und Arafat ihre öffentlichen Erklärungen zur Eindämmung der Gewalt abgeben wollten. Die beiden Politiker hätten bereits am mittag zeitgleich auf Sendung gehen sollen, um per Live-Schaltung zur Beruhigung der Lage in den Palästinensergebieten aufzurufen. In einer bereits am Vormittag von der palästinensischen Autonomiebehörde veröffentlichten Erklärung, hieß es, dass Demonstrationen weiter veranstaltet werden könnten, aber "nur auf geregelte Weise". Anstelle der Hetze solle der "Kampf für den Frieden" wiederaufgenommen werden.

Am Vorabend hatte sich Arafat gemeinsam mit Schimon Peres, dem Minister für Regionale Kooperation, auf ein "Verständnis" so die Palästinenser, geeinigt, über ein Ende der Gewalt. Peres hatte Arafat bereits einige Tage zuvor treffen wollen, was zunächst jedoch auf den Widerstand des Premierminister gestoßen war. Barak hatte offenbar wenig Hoffnung auf einen Erfolg des Treffens. Möglich ist, dass eine Reihe von Gesprächen mit europäischen Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder, den israelischen Premierminister optimistischer stimmten.

Zur gemeinsamen Umsetzung der Absprachen kamen am Morgen die Sicherheitskräfte beider Seiten zusammen. Die israelischen Militärs begannen nach eigenen Aussagen damit, Panzer und schweres Geschütz aus den dicht bevölkerten Palästinensergebieten abzuziehen. Zudem wurde die Sperre, die die Militärs zudem über die Stadt Hebron verhängt hatten, aufgehoben. Noch am Vormittag war bei Demonstrationen im Norden von Jerusalem ein jugendlicher Palästinenser erschossen worden. Ehud Barak beeilte sich, dem Palästinenserpräsidenten gegenüber darüber sein Mitgefühl mitzuteilen. In einem Telefonat zwischen den beiden betonte der Premierminister die Bedeutung der palästinensischen Polizisten für eine Eindämmung der Gewalt.

In Gaza fanden am Vormittag die Beerdigungen von drei am Vortag getöteten Palästinensern statt. Einige Kilometer südlich der Stadt lieferten sich Demonstranten und Soldaten Scharmützel. An der Nezarim-Kreuzung, unweit einer jüdischen Siedlung, warfen Demonstranten Steine und Molotowcocktails auf die Soldaten, die zum Teil mit scharfer Munition zurückschossen. Die israelische Armee berichtete am Nachmittag jedoch von "deutlich weniger Zwischenfällen mit Schusswechsel".

Kommunikationsminister Jassir Abed Rabbo erklärte, dass "es keinen anderen Weg gibt, als die Gewalt einzudämmen". Die Palästinenser erwarten, dass die israelische Armee die Soldaten aus "allen Gebieten abzieht, in die sie in den letzten Wochen einmarschiert sind".

Die auf israelischer Seite aufgekommene Vermutung, dass die Palästinenser auch deswegen dem Übereinkommen mit Peres zustimmten, "weil ihnen die Munition ausgeht", so ein Offizier, nannte Samir Rantissi vom palästinensischen Informationsministerium "reinen Unsinn". Die Palästinenser haben den Wunsch, die Situation zu beruhigen. Alles hänge davon ab, dass die israelischen Truppen ihre Panzer und schweren Geschütze zurückziehen. "Bislang sieht es nicht gut aus", meinte Rantissi.