Frankfurter Rundschau, 3.11.2000

Attentat überschattet Ringen um Frieden

Zwei Israelis sterben durch Autobombe in Jerusalem

Von Inge Günther

Mit einem schweren Bombenanschlag im Zentrum West-Jerusalems hat der Nahost-Konflikt eine neue Stufe der Gewalt erreicht. Zwei Israelis, eine Frau und ein Mann, wurden getötet und neun verletzt, als kurz vor der Ausrufung einer vereinbarten Waffenruhe eine Autobombe nahe dem Machane-Jehuda-Markt hochging.

JERUSALEM, 2. November. Die Explosion ereignete sich, als ein Aufruf seitens des israelischen Premiers Ehud Barak sowie des Palästinenser-Präsidenten Yassir Arafat zur Waffenruhe erwartet wurde. Barak sagte daraufhin seine Erklärung mit der Begründung ab, Arafat habe die neue Eskalation zu verantworten.

Mit der Freilassung von Gefangenen der Hamas und des Dschihad habe Arafat grünes Licht für neuen Terror signalisiert, erklärte Barak. Nur wenn der PLO-Chef die militanten Islamisten wieder inhaftiere, sei eine Friedenslösung möglich.

Der jüngste Anschlag verlief nur deshalb vergleichsweise glimpflich, weil das Auto mit der Bombe in einer stillen Seitenstraße geparkt war. In jüngster Zeit hatten wiederholt israelische Sicherheitsbehörden vor Sprengstoffanschlägen islamistischer Gruppen gewarnt. Bei der getöteten Frau handelt es sich laut Polizei um die Tochter des Chefs der Nationalreligiösen Partei, die als Sprachrohr der jüdischen Siedler gilt.

Als Motiv für das Attentat wurde vermutet, dass Islamisten die Hoffnungen in der Region auf einen neuen Vermittlungsversuch des israelischen Friedensnobelpreisträgers Schimon Peres zunichte machen wollten. Unmittelbar nach Bekanntgabe eines Erfolgs der Peres-Initiative hatte die Hamas in Gaza aufgerufen, keine Kompromisse zu akzeptieren und den Kampf gegen die israelische Besatzung fortzusetzen. Peres hatte in der Nacht zum Donnerstag mit Arafat eine Vereinbarung ausgehandelt, die den PLO-Chef und Barak zu einem öffentlich verkündeten Gewaltverzicht verpflichtete. Peres und Arafat hatten sich auch über weitere Schritte geeinigt, um die Abmachung von Scharm el-Scheich zur Deeskalation umzusetzen.

Er hoffe sehr, sagte der israelische Regierungssprecher Nachman Schai, dass trotz des Anschlags beide Seiten an der Zusage einer identischen Erklärung zum Gewaltverzicht festhielten. Barak stellte aber klar, dass Arafat sich zunächst unmissverständlich von Terrorakten distanzieren müsse. Nach Worten des Arafat-Beraters Marwan Kanafani wollte die Autonomieführung am Abend das weitere Vorgehen beraten. Scharf wandte sich Kanafani gegen jede Schuldzuweisung an Arafat.

Entsprechend der Verabredung von Peres und Arafat zog Israel am Donnerstagmorgen einige Panzer von den Einfahrten zu palästinensischen Autonomiezonen zurück. Die palästinensische Polizei versuchte erstmals, Demonstranten an Brennpunkten in Gaza zurück zu drängen. Sicherheitsoffiziere beider Seiten trafen sich zu einer Lagebesprechung. Um die Chancen der Vermittlungsbemühungen von Peres nicht zu verspielen, hatte Barak zunächst auch die vom Sicherheitskabinett beschlossenen Militärschläge ausgesetzt, mit denen der Tod dreier israelischer Soldaten vergolten werden sollte. Sie waren am Mittwoch bei Schießereien mit bewaffneten Fatah-Kämpfern in der Region Bethlehems und in Jericho ums Leben gekommen. Dabei wurden auch fünf Palästinenser getötet.