junge Welt, 03.11.2000

Truppen aus der Datenbank

Bundesrepublik verpflichtet sich zur Unterstützung von UN- Kampfeinsätzen

In der Nacht zum Donnerstag unterzeichneten Vertreter der Bundesrepublik in Anwesenheit von Bundeskriegsminister Rudolf Scharping am Rande der Vollvesammlung der Vereinten Nationen ein Abkommen zur Bereitstellung militärischer Beiträge zum »Standby Arrangements System« (SAS) der Vereinten Nationen. Dabei geht es um die Bereitstellung von Kontingenten für »friedenserhaltende und friedenserzwingende« Maßnahmen mit UN-Mandat, also auch für Kampfeinsätze. Bei der ersten derartigen Vereinbarung aus dem Jahr 1998 war der deutsche Beitrag noch ausdrücklich auf zivile humanitäre Unterstützung beschränkt. Die jetzt vereinbarten militärischen Beiträge umfassen im einzelnen: Transportkapazitäten für Truppen, Lufttransport mit Mittel- und Langstreckenflugzeugen sowie Hubschraubern, sanitätsdienstliche Unterstützung bis zur Größenordnung eines Feldlazarettes, Pioniere, Fernmeldetruppen, Stabspersonal, Sicherungstruppen, Militärbeobachter sowie Marinekontingente zur Aufklärung, Überwachung und Minenräumung.

»Mit der Zusage auch von militärischen Beiträgen betont die Bundesregierung ihren Willen, die Vereinten Nationen in dem wichtigen Bereich internationaler Friedensmissionen zu stärken. Der deutsche Beitrag ist ein hierzu wichtiges außenpolitisches Signal und unterstreicht die Bedeutung, welche die Bundesrepublik Deutschland den Vereinten Nationen beimißt«, heißt es in einer entsprechenden Erklärung des Bundesverteidigungsministeriums zu dem Abkommen.

Fregattenkapitän Christian Dienst vom Pressestab der Bundeswehr betonte gegenüber jW den eher formalen Charakter des Abkommens. »Man muß sich das SAS als Datenbank vorstellen. Wenn die UN einen militärischen Einsatz mandatiert hat, kann schnell auf die verbindlich zugesagten Kontingente zurückgegriffen werden«, so der Presseoffizier. Mögliche Einsätze im Rahmen von Kampfeinsätzen stünden ungeachtet des Abkommens weiterhin unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments. Zudem müsse von Fall zu Fall geklärt werden, ob die angeforderten Kontigente überhaupt verfügbar oder gerade anderweitig im Einsatz seien, ergänzte Dienst. Für die geplante Umstrukturierung der Bundeswehr habe das Abkommen keine Konsequenzen, zusätzliche Geldmittel werden auch nicht in den Etat eingestellt. Die Kosten für deutsche Beteiligungen an UN-Einsätzen müßten »von Fall zu Fall« bezahlt werden. In den nächsten Wochen soll das Abkommen auch in den zuständigen Bundestagsausschüssen diskutiert werden.

Ein Mitarbeiter der abrüstungspolitischen Sprecherin der PDS-Fraktion im Bundestag, Heidi Lippmann, wertete die Unterzeichnung des Abkommens als Beleg dafür, daß die Bundesregierung bei UN-Militäreinsätzen jetzt »immer mitmischen« wolle. Der Diskussionsprozeß innerhalb der Partei zu diesem Thema sei aber noch nicht abgeschlossen. Beim vorletzten PDS-Parteitag in Münster war die PDS- Führung mit dem Versuch gescheitert, von der Basis die Zustimmung für die mögliche Unterstützung von UN- Kampfeinsätzen mit deutscher Beteiligung zu erhalten.

Rainer Balcerowiak