Neue Zürcher Zeitung (CH), 2.11.2000

Treffen zwischen Peres und Arafat in Gaza

Neu entflammte Gewalt bei Bethlehem

gsz. Jerusalem, 1. November

Vor dem Hintergrund neuer Gewalttaten haben sich der israelische Minister für regionale Kooperation, Peres, und der Palästinenserführer Arafat am Mittwochabend zu einer Unterredung in Gaza getroffen. Am Vortag hatte Peres überraschend bekannt gegeben, dass er von Ministerpräsident Barak beauftragt worden sei, den Palästinenserführer zu treffen - allerdings nicht um Verhandlungen zu führen, sondern bloss um Arafat zur Beendigung der Ausschreitungen aufzufordern. Bis zur letzten Minute blieb unklar, ob das Treffen vor dem Hintergrund der neuen Gewalttaten zustande kommen werde. Schliesslich fand die Begegnung der beiden Politiker zu später Stunde in Arafats Amtsräumen in Gaza doch noch statt. Vor dem Treffen hatte Peres erklärt, dass er Arafat nicht nur Vorhaltungen machen werde, sondern sich auch dessen Standpunkt anhören wolle.

Kontakte trotz Gewalttätigkeiten
Ministerpräsident Barak berief wegen der sich zuspitzenden Lage für den Mittwochabend eine Sondersitzung des Sicherheitskabinetts ein. Israel könne die Verschlimmerung der Situation nicht einfach hinnehmen und den Gewalttätigkeiten nicht tatenlos zusehen, hiess es aus dem Amt des Ministerpräsidenten. Vor einigen Tagen hatte neben anderen Persönlichkeiten auch Leah Rabin, die Witwe des früheren Ministerpräsidenten, Barak dazu gedrängt, Peres' grosse Erfahrungund seinen Einfluss bei Arafat zu nutzen. Angeblich hat Shimon Peres, der vor sechs Jahren zusammen mit Arafat (und Yitzhak Rabin) denFriedensnobelpreis erhielt, ein besseres Verhältnis zu dem Palästinenserführer als Barak. Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte allerdings auch Barak selber schon während des vergangenen Wochenendes mit Arafat telefoniert, um ihm den Ernst der Lage und die Konsequenzen seiner Aktionen klarzumachen. Barak drohte dem PLO-Führer mit verschärften Reaktionen der Armee. Angeblich antwortete Arafat, dass er sein Bestes zur Beilegung der Gewalttätigkeiten tun werde, dass er den Volksaufstand aber nicht kontrollieren könne. Über das Gespräch wurde anfänglich Stillschweigen bewahrt, vermutlich, um die Koalitionsverhandlungen, die Barak damals mit der Oppositionspartei Likud führte, nicht zu behindern.

Am Mittwochnachmittag kam es in der Nähe von Bethlehem, bei al-Khadr und bei dem sogenannten King Salomon's Pool, zu dreistündigen schweren Gefechten zwischen Palästinensern und der israelischen Armee, in deren Verlauf mindestens ein Polizist der Autonomiebehörde und zwei israelische Soldaten getötet wurden. Bei einer Auseinandersetzung in Jericho kam ein weiterer israelischer Soldat ums Leben. Das Quartier Gilo in Jerusalem wurde am Mittwochabend erneut von der palästinensischen Ortschaft Beit Jala aus unter Beschuss genommen. Die mehrstündige Beschiessung war angeblich die schlimmste seit Beginn der Unruhen. Fünf Wohnungen wurden getroffen, doch kamen keine Bewohner zu Schaden. Israel antwortete mit Maschinengewehrfeuer und Kampfhelikoptern.