Frankfurter Rundschau, 2.11.2000

Athen und Ankara rücken näher

Außenminister wollen über Vertrauensbildung verhandeln

Von Gerd Höhler

ATHEN, 1. November. Griechenland und die Türkei wollen ungeachtet der jüngsten Spannungen den 1999 eingeleiteten Prozess der Annäherung fortsetzen. Die Außenminister beider Länder, der Grieche Jorgos Papandreou und der Türke Ismail Cem, vereinbarten am Dienstag in Budapest, über vertrauensbildende Maßnahmen zu verhandeln. Über militärische Fragen wollen beide Regierungen im Rahmen der Nato sprechen, politische Maßnahmen sollen von den Diplomaten der Außenministerien ausgehandelt werden. Ziel sei es, das Maßnahmenpaket so bald wie möglich in Kraft treten zu lassen, hieß es in einer Erklärung der beiden Minister.

Erst kürzlich hatte sich Griechenland wegen des Streits mit der Türkei um den militärischen Status einiger Ägäis-Inseln aus einem Nato-Manöver zurückgezogen. Zu den militärischen Entspannungsschritten, die diskutiert werden sollen, zählen unter anderem die Verringerung der Manöver beider Länder in der Ägäis, die beiderseitige Beobachtung von Militärübungen und die Einrichtung eines Krisentelefons zwischen den Generalstäben.

Auf politischer Ebene will man über eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Umweltschutz und Kultur sprechen.

Papandreou und Cem versuchen damit eine bereits 1988 von ihren damaligen Amtsvorgängern Karolos Papoulias und Mesut Yilmaz in Athen getroffene Vereinbarung wiederzubeleben.

Die seinerzeit verabredeten vertrauensbildenden Maßnahmen wurden jedoch nie umgesetzt, weil sich schon bald neue Spannungen zwischen beiden Ländern entwickelten.

Die griechisch-türkischen Beziehungen werden auch im Mittelpunkt eines Besuchs stehen, zu dem Mesut Yilmaz an diesem Donnerstag in Athen erwartet wird. Yilmaz, der inzwischen als Vizepremier für die Europa-Beziehungen der Türkei zuständig ist, will auch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis zusammentreffen. Sein Besuch wird allerdings von Misstönen begleitet. In einem Fernsehinterview hatte Yilmaz Anfang der Woche zum Besten gegeben, wenn man einem Griechen die Hand gebe, müsse man anschließend seine Finger zählen. Der griechische Regierungssprecher Dimitris Reppas erklärte, solche Äußerungen seien "nicht im Geist der Freundschaft" und erwiesen den Beziehungen der beiden Länder einen "schlechten Dienst".