taz 2.11.2000

DIE RÜSTUNGSEXPORTE UNTER ROT-GRÜN NEHMEN WEITER ZU

Keine Änderung in Sicht

Die Nachricht ist wieder ein Tiefschlag für die grüne Basis: Im ersten vollen Kalenderjahr der rot-grünen Regierung haben sich die Rüstungsexporte gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt, meldet das Statistische Bundesamt. Das hatten wir uns als Grünenwähler dann doch anders vorgestellt. Dabei ist es wenig hilfreich, wenn nun darauf hingewiesen wird, dass die Verträge für den größten Teil des 1999 gelieferten Schießgeräts ja noch von der Vorgängerregierung abgeschlossen worden sind und deshalb nicht in die Verantwortung von Fischer und Co. fallen.

Das Argument könnte überzeugen, wenn die amtierende Bundesregierung einen Bruch mit deren Rüstungsexportpolitik vollzogen hätte - allein davon ist sie weit entfernt. Die Grünen haben sich im vergangenen Jahr darauf beschränkt, mögliche Panzerexporte in die Türkei zur Koalitionskrise zu erklären. Waffenexporte in die Türkei sind zweifellos ein Problem, aber die Diskussion, das zeigt die Meldung der Statistiker, laboriert an Symptomen: An den Ursachen ändert sich nichts. Eine eigene nationale Kriegswaffenproduktion ist heute nur noch zu finanzieren, wenn das Zeug in hohen Stückzahlen gebaut und möglichst weltweit verkauft wird. Entwicklung und Produktion sind so teuer, dass die Bundeswehr nur dann noch "made in Germany" ausgerüstet werden kann, wenn weltweit möglichst viel mit deutschem Qualitätssignum getötet wird. Es ist nun einmal so, dass Waffen sich da, wo gekämpft wird, besser verkaufen als in Dänemark. Politiker hingegen belügen ihr Publikum, wenn sie behaupten, man würde Waffen nur dorthin liefern, wo sie nie angewendet werden.

Doch statt die Waffenproduktion einzuschränken, werden die Unternehmen weiter subventioniert, weil man ja die Arbeitsplätze, das technische Know-how erhalten müsse. So schafft die Regierung dann ihre "Exportprobleme" selbst. Solange über dieses Problem nicht geredet wird, sollen die Grünen aufhören, uns vorzumachen, dass sie Waffenexporte vermindern und die Beachtung von Menschenrechten bei Exporten durchsetzen wollten. JÜRGEN GOTTSCHLICH