junge Welt, 01.11.2000

Nur Legitimation für Terror?

Erste deutsch-iranische Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Isfahan stößt auf Kritik

»Glaubt der Freiburger Gemeinderat ernsthaft, durch eine Städtepartnerschaft auf kommunaler Ebene in einen kritischen Dialog eintreten zu können, an dessen Ende die Reform des Islamischen Strafrechts steht?«, kommentierte die Regionalgruppe Südbaden des »Wissenschaftlich-humanitären Komitees« (whk) die erste deutsche Städteverbindung mit einer iranischen Kommune, die am Freitag von Bürgermeister Ali Mohammad Javadi aus Isfahan und Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD) im Freiburger Rathaus begründet wurde. Als vorrangige Ziele wurden der Kontakt zwischen den Bürgern, ein Erfahrungsaustausch in der Stadtentwicklung, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene, kulturelle Kooperationen und der Austausch zwischen den Universitäten und Hochschulen vereinbart.

Daß bei der Partnerschaft vor allem wirtschaftliche Interessen im Zentrum stehen, die Menschenrechtsverletzungen im Iran jedoch ausgeklammert und dadurch legitimiert werden, wird nicht nur vom whk kritisiert. Es war sicher kein Zufall, daß bei dem dreitägigen Besuch der iranischen Delegation im Schwarzwald zwar konkrete Vorhaben zur Solarnutzung und zum Bau von Stadtbahnlinien in Isfahan auf der Tagesordnung standen, nicht aber Begegnungen mit Menschenrechtsorganisationen oder Exiliranern.

In die »inneren politischen Angelegenheiten« des Irans wolle man sich nicht einmischen, erklärte denn auch OB Böhme am Freitag vor Journalisten. Allerdings wolle man den Prozeß der Demokratisierung begleiten und sehe die Städtepartnerschaft als »eine Brücke zwischen den Menschen« und einen »Beitrag zu Völkerverständigung und Frieden«. »Gerade in Isfahan ist die iranische Reformbewegung besonders stark verankert«, sagte Böhme. Die Partnerschaft werde die Begegnung mit der islamischen Kultur erleichtern. Auch Bürgermeister Javadi wollte sich im Freiburger Rathaus nicht näher zum iranischen Reformprozeß äußern: als ein vom Stadtrat gewähltes Organ habe sein Amt keine politische Kompetenzen, erklärte er. Doch »als raner« unterstütze er die von Staatspräsident Khatami geförderten Reformen.

Eine zu unterstützende Demokratisierung gebe es im Iran nicht, denn die »sogenannten Reformer um Khatami sind die ehemaligen Folterer«, erklärten Freiburger Exiliraner am Rande der Vereinbarung. Einer Partnerschaft mit einem Land, das politische Gefangene foltert und Menschenrechte mißachtet, könnten sie nichts Positives abgewinnen. Das »Klara Komitee 8.März«, eine internationale Gruppe von deutschen Frauen und Exiliranerinnen in Freiburg, lehnt das Abkommen mit Hinweis auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Iran ebenfalls ab. Auch die Ortsgruppe der »Sozialistischen Alternative Voran« (SAV) hält nichts von der Vereinbarung. »Das Regime von Isfahan und die von ihm entsandte Delegation sind keine legitimen Vertreter der Bevölkerung«, heißt es in einer Pressemitteilung der SAV. Statt mit der Delegation zu sprechen, solle Freiburg freundschaftliche Kontakte mit »demokratischen Exilorganisationen der Iraner« aufnehmen, fordert die Partei.

Im Freiburger Gemeinderat votierten am 17. Oktober sieben Stadträte der CDU, FDP und der Linken Liste/Unabhängige Frauen gegen die Städtepartnerschaft, konnten sich mit ihren Argumenten jedoch nicht durchsetzen. Das Ansinnen, endlich eine reguläre Städtepartnerschaft mit der nikaraguanischen Stadt Wiwili einzugehen, wird seit Jahren mit dem Hinweis auf fehlende Gelder und mit der großen Zahl von acht bestehenden Städtepartnerschaften abgewiesen, kritisierte Hendrijk Guzzoni, Stadtrat der Linken Liste. »Wäre es nicht ein ausgesprochen falsches Signal, eine Städtepartnerschaft einzugehen mit einer Stadt, in der Ehebruch mit dem Tode bestraft wird, Homosexualität verboten ist und Schwule, die beim gleichgeschlechtlichen Sex erwischt werden, Gefahr laufen, gesteinigt zu werden?« so Guzzoni.

Der Freiburger Ausländerbeirat begrüßte am Donnerstag nach kontroverser Diskussion die Aufnahme partnerschaftlicher Beziehungen zur alten Kaiserstadt im persischen Hochland. Er erwartet jedoch, daß in erster Linie menschliche und politische Beziehungen intensiviert werden, die die »Liberalisierung von Gesellschaft und Rechtspolitik« befördern. An der Planung der Partnerschaft sei der Ausländerbeirat bislang nicht beteiligt worden. »Wir haben davon aus der Zeitung erfahren«, kritisierte Beirätin Fausta Carli.

Der Gedanke einer Städteverbindung zwischen der Schwarzwaldmetropole und der mit eineinhalb Millionen Einwohnern nach Teheran wichtigsten Stadt des Iran war erstmals im Rahmen eines Besuchs einer Bundestagsdelegation im Iran im Mai 1999 erörtert worden.

Martin Höxtermann, Freiburg