Frankfurter Rundschau, 1.11.2000

Kurde Calhan in die Türkei abgeschoben

Von Reinhard Voss

DÜSSELDORF, 31. Oktober. Der Kurde Hüseyin Calhan ist am Dienstag ungeachtet aller Proteste seiner deutschen Fürsprecher von Düsseldorf nach Istanbul abgeschoben worden. Calhan war einer der Sprecher des mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichneten Wanderkirchenasyls. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte am Dienstag noch einmal zwei Eilanträge gegen seine Abschiebung abgelehnt.

Die Mitglieder mehrerer Flüchtlingshilfsorganisationen hatten nachts vor dem Abschiebegefängnis in Büren für Calhans Bleiberecht demonstriert und Düsseldorf eine "barbarische Abschiebepraxis" vorgeworfen. Kritik an SPD-Innenminister Fritz Behrens kam am Dienstag auch vom Koalitionspartner. Die Sprecherin des Landesvorstands der Grünen, Britta Haßelmann, warf Behrens nach ergänzenden Agenturangaben Versagen und den Behörden "inhumane Prinzipienreiterei" vor. Ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums wies die Vorwürfe zurück. Calhans Anträge auf politisches Asyl seinen rechtskräftig abgelehnt worden. Die Politik habe keinen Spielraum mehr gehabt. Der Petitionsausschuss des Landtags hatte in der Vorwoche "bedauert, dass auf Grund der bestehenden Sach- und Rechtslage" eine Abschiebung des 27-jährigen Kurden nicht verhindert werden könne.

Calhan war 1995 nach Deutschland geflohen, nachdem er nach eigenen Angaben in der Türkei verfolgt und mehrfach gefoltert worden war. Dennoch wurde sein Asylantrag abgelehnt, die Klagen dagegen und einen Asylfolgeantrag wiesen die Gerichte ebenfalls ab. Seit 1998 beteiligte sich der Kurde an dem nordrhein-westfälischen Wanderkirchenasyl, das von vielen Kirchengemeinden getragen wurde. Bei einer erneuten Einzelfallprüfung aller Teilnehmer, auf die sich die Betroffenen unter Vermittlung der Grünen mit dem Innenministerium Anfang 1999 verständigt hatten, konnte Calhan nach Darstellung des Ministeriums "keine nachprüfbaren Fakten" zu seiner politischen Verfolgung vorlegen. Ende September wurde Calhan im Aachener Bahnhof festgenommen und ins Bürener Abschiebegefängnis gebracht.

Die Aktion "Kein Mensch ist illegal" erinnerte in Zusammenhang mit Calhans Abschiebung an Mehmet Kilic, der ebenso im Wanderkirchenasyl war. Seit seiner Abschiebung vor einer Woche und der Verhaftung durch die Flughafenpolizei in Istanbul fehle von Kilic jede Nachricht, hieß es.